Baby-Bingo
kleines Hündchen, mit dem sie jetzt alle spielen«, sagt sie und sieht auf einmal ziemlich müde aus.
»Na, dann komm. Wir beide gehen jetzt Zähne putzen, und danach zeigst du mir noch dein Chi-Chi-Dingsda«, sage ich zu Sophie. Und zwinkere Anne zu. Ein bisschen Mama zu spielen macht doch Spaß, und ich habe das Gefühl, dass auch Anne ganz dankbar ist, mal ein paar Minuten Verschnaufpause zu haben.
»Ich hab gehört, ihr wart in der Toskana und bei deinen Eltern in Südtirol«, sagt Jan zu Martin. Er rührt im Topf mit dem Steinpilzrisotto und gießt Weißwein nach. »Ich würde auch so gerne mal wieder verreisen, aber mit Sophie ist das schwierig. Na ja, vielleicht im nächsten Jahr.«
Anne nickt zustimmend und sagt: »Genießt noch eure Zeit ohne Kind, kostet sie jeden Tag aus.«
»Ach, für so eine kleine Maus würde ich gerne auf alle Reisen verzichten«, sage ich.
»Wenn das so ist, dürft ihr euch Sophie gerne mal übers Wochenende ausleihen«, bietet Anne an.
Wir gehen ins Wohnzimmer und setzen uns an den gedeckten Tisch. Um uns herum liegen Malstifte und Papier, auf dem Boden Spielzeug. Ein wunderbares Kinderchaos.
»Mamaaa!«
Sophie schreit mit einer Lautstärke aus ihrem Kinderzimmer, dass die Ikea-Gläser auf dem Tisch wackeln.
»Oh nein. Nicht gerade jetzt. Fangt schon mal mit dem Essen an. Ich komme gleich wieder«, sagt Anne sichtlich genervt und steht vom Tisch auf.
Martin und ich werfen uns vielsagende Blicke zu. Ich glaube, wir denken beide dasselbe: Wie gerne würden wir uns von unserem Kind beim Essen stören lassen! Ein Töchterchen wie Sophie, dafür würden wir sogar wochenlang hungern.
»Ich liebe Sophie wirklich über alles«, sagt Jan, als hätte er unsere Gedanken erraten. »Und es gibt viele wunderbare Momente mit ihr. Aber sie kann auch ganz schön anstrengend sein. Seit drei Monaten ist es besonders schlimm.«
Er reicht uns die Schüssel mit dem Risotto, wir nehmen uns und fangen an zu essen. Ohne Anne. Es scheint doch länger zu dauern.
»Entschuldigt, aber Sophie hat im Moment ziemliche Einschlafprobleme«, sagt Anne, als sie eine halbe Stunde später zurück an den Tisch kommt. »Jan, gehst du noch mal zu ihr? Sie möchte dir Gute Nacht sagen.«
Jan steht wortlos auf und geht ins Kinderzimmer. Nun sitzen wir mit Anne allein am Tisch, die ihr lauwarmes Risotto isst.
»Ach, ich beneide euch beide um eure Freiheit«, sagt sie. »Wenn du ein Kind hast, geht die Spontaneität verloren. Wie oft haben Jan und ich uns früher ins Auto gesetzt und sind einfach drauflosgefahren. Oder mal bis Mittag im Bett ge blieben.«
Was ist das hier? Eine Elternsprechstunde? Warum können die beiden nicht mal was Positives über das Eltern-Sein erzählen? Schließlich weiß Anne, dass ich gerne schwanger und Mama werden möchte! Aber auch als Jan sich wieder zu uns setzt, kommt der Abend nicht so richtig in Schwung. Die beiden wirken unkonzentriert, und das Gespräch bleibt trotz der guten Flasche Rotwein an der Oberfläche. Und bereits kurz vor 23 Uhr fängt Anne an zu gähnen.
»Entschuldigt, aber ich bin heute Morgen schon um sechs Uhr aufgestanden«, sagt sie.
Okay, wir verstehen die Aufforderung und verabschieden uns. Auf dem Weg mit dem Fahrrad nach Hause hängen wir beide unseren Gedanken nach. Der Abend war keine Werbeveranstaltung für Kinder. Haben wir da einen Traum, dessen Erfüllung uns vielleicht gar nicht glücklicher macht? Ist es wirklich so toll, Kinder zu haben? Haben wir beide nicht auch allein ein schönes Leben mit vielen Reisen, in Zweisamkeit und Unabhängigkeit? Andererseits war das Gefühl, als Sophie sich an mich kuschelte, schon einzigartig. Wie viel intensiver muss das Gefühl noch sein, wenn es dein eigenes Kind ist, das sich an dich schmiegt?
»Denkst du auch das, was ich denke?«, fragt mich Martin.
Wie gut er mich doch kennt.
»Lass dich nicht entmutigen«, sagt er. »Wir machen unsere Erfahrungen selbst. Die guten und, wenn es sein muss, auch die weniger guten. Und jetzt gehen wir noch was trinken«, schlägt er vor. »Es ist Samstagabend. Wir haben kein Kind und auch keinen Babysitter, der darauf wartet, dass wir vor Mitternacht zurückkommen.«
»Gute Idee«, sage ich. »Du hast ja gehört, wir sollen unser Leben genießen.«
Es ist Mai, als Martin und ich uns für eine »assistierte Befruchtung« entscheiden. Der Begriff gefällt mir. Er bedeutet, dass eine Befruchtung lediglich unterstützt wird, aber immer noch ein individueller und
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