Baby-Bingo
Ufo aussieht. Ich war als Junge mächtig stolz auf diese Lampe. Damit lag ich einrichtungsmäßig weit vorn.
Ich kann die Lampe bestens studieren, weil wir uns entschlossen haben, dass Carla die Position auf dem Hochsitz belegen darf. Ein Entschluss, der akustische Gründe hat. Wir haben gemerkt, dass in dieser Choreografie mein schmales, betagtes Jugendbett am wenigsten Geräusche macht. Am wenigsten, das heißt, dass die zarteste Bewegung immer noch von einem mittellauten Geräusch begleitet wird, so als würde das betagte Holz unter unserer Last stöhnen.
Es ist nicht ganz einfach, angesichts dieser Umstände ernst und konzentriert zu bleiben. Ich schwanke zwischen drei Albtraum-Variationen:
1. Dass mein Onkel Albert mit einem jovialen Grinsen die Quietschgeräusche im Stockwerk über ihm mit einem »Na, die haben aber ihren Spaß« kommentiert.
2. Dass das Bett nach über 30 Jahren treuer Beständigkeit gerade heute lautstark zusammenkracht.
3. Dass mein Vater arglos nach oben kommt, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.
Carla geht es wohl ähnlich. Sie prustet plötzlich inmitten unserer Aktivitäten los, klettert von mir und legt sich lachend neben mich.
»Das geht nicht«, sagt sie, »es ist nicht wirklich romantisch.«
»Ja, ich befürchte auch, dass unser Kind einen schlechten Musikgeschmack bekommt, wenn es unter einem Boney-M.-Plakat gezeugt wird«, sage ich.
Wir ticken eben doch im Gleichklang, das ist die schöne Erkenntnis dieses gescheiterten Schäferstündchens. Ich weiß schon, warum ich diese Frau liebe.
»Lass es uns am Abend nochmals versuchen«, schlägt Carla vor, »das muss ja zeitlich auch noch genügen.«
»Ja, diesem Zimmer tut Dunkelheit sicher gut«, sage ich.
»Na, habt ihr ein bisschen geruht«, sagt meine Mutter arglos, als wir wieder nach unten kommen.
Onkel Albert dagegen wirft mir einen verschmitzten Blick zu.
Carla
Die Prinzessin
»Was meinst du? Nehmen wir einen aus der Maremma oder einen Sizilianer?«
Es ist Samstagnachmittag, und ich mache mit Martin einen Einkaufsbummel durch die Münchner Innenstadt. Genauer gesagt stehen wir seit einer halben Stunde in einem Feinkostgeschäft, um einen Rotwein für Anne und Jan auszuwählen, bei denen wir heute Abend zum Essen eingeladen sind.
Eine Flasche Rotwein? Für mich eine Sache von Minuten! Aber mit Martin kann das Ganze schon mal Stunden dauern. Denn was für Frauen Schuhe sind, das ist für Martin Wein. An einem gut sortierten Weinladen kommt er einfach nicht vorbei. Und Namen wie Brunello di Montalcino und Sassicaia haben auf ihn die gleiche euphorisierende Wirkung wie auf mich Louboutin und Jimmy Choo. Ihm geht es um den Abgang, mir um den Absatz. Mit einer Geduld, die er sonst nicht hat, durchforstet Martin Weinregale nach ungewöhnlichen Tropfen. Und kann dabei mit dem Verkäufer endlose Dialoge über den angeblich besten Jahrgang führen.
Wie viele Männer träumt Martin von einem eigenen Weingut. Eines wie in seinem Lieblingsfilm Ein gutes Jahr mit Russell Crowe. Mit dem kleinen Unterschied, dass darin ein Börsenmakler das riesige Weingut seines Onkels in Südfrankreich erbt. Während Martins Onkel uns höchstens seine Doppelhaushälfte hinterlassen könnte. Trotzdem vergeht kein Sonn tag, an dem Martin nicht mal kurz ins Internet geht, um sich zum Verkauf stehende Weingüter in der Toskana oder Apulien anzusehen. »Amore, schau mal. Zehn Hektar Land. Das wär’s doch …«
Im Geiste sieht er sich wahrscheinlich schon mit Gummistiefeln und Hund an seiner Seite den Besitz abschreiten. Das Glas Wein in der Hand, den Blick versonnen in die Ferne gerichtet, während die Sonne langsam hinter seinen Weinbergen untergeht.
Aber die Leidenschaft meines Mannes hat auch etwas Praktisches: Egal in welchem Kaufhaus ich ihn verliere, spätestens in der Weinabteilung finde ich ihn wieder.
»Welchen Wein? Keine Ahnung. Du bist doch der Experte«, sage ich gelangweilt und überlege, ob ich schon mal nebenan zu Zara gehen soll. Erfahrungsgemäß kann das hier noch länger dauern.
Wir klingeln, und ein kleines Mädchen im Prinzessinnenkleid und mit Glitzerreif im Haar öffnet die Tür.
»Hallo, Sophie, du bist aber groß geworden.« Ich ertappe mich bei genau dem gleichen Satz, den früher die Freunde meiner Eltern zu mir sagten. Er ist inzwischen nicht unbedingt origineller geworden.
Sophie sieht uns mit einer Mischung aus Skepsis und Neugierde an, die nur Vierjährige so perfekt hinkriegen. Sie sagt nichts, bewegt
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