Baby-Bingo
natürlicher Vorgang bleibt. Ei- und Samenzelle verschmelzen nach wie vor in mir höchstpersönlich und nicht in einer Petrischale im Labor.
»Schwanger werden mit Turbo«, nennt Martin das, und damit können wir gut leben.
Nach fast einem Jahr voller Hoffnungen und Enttäuschungen sind wir bereit für diesen nächsten Schritt.
»Ich denke, eine Insemination ist eine gute Möglichkeit, sich langsam voranzutasten und herauszufinden, ob eventuell bei Ihnen eine Störung des Immunsystems vorliegt«, sagt Frau Doktor Steinberger. In einem persönlichen Gespräch, bei dem auch Martin dabei ist, erklärt sie uns ausführlich die Möglichkeiten einer Insemination und die weitere Vorgehensweise.
»Die Spermaqualität Ihres Mannes ist grundsätzlich sehr gut. Doch das Immunsystem der Frau bildet manchmal Antikörper gegen die Spermien und reagiert allergisch. Oder der pH-Wert der Scheide vernichtet schon im Voraus alle Samen, auch das gibt es. Bei einer Insemination werden die Samen möglichst nahe an die Eizelle eingebracht. Sie haben somit größere Chancen.«
Schon ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sitzen. Nie hätte ich gedacht, dass das Innenleben meines Unterleibs einmal Thema eines Gesprächs in Gegenwart meines Mannes sein könnte. Ich fühle mich, als wäre ich aus Versehen in einen Woody-Allen-Film geraten. Irgendwie kam diese Szene bisher nie in meinem persönlichen Lebensfilm vor.
Frau Doktor Steinberger reicht uns Informationsmaterial. Dazu Formulare, die wir in Ruhe durchlesen und dann unterschreiben sollen.
»Die Insemination ist ein risikoarmes Verfahren«, lese ich. »Trotz größter Sorgfalt kann es jedoch im Einzelfall zu Störungen kommen: Blutungen, Sterilität auf Dauer …« Wie im Beipackzettel von Medikamenten sind auch hier jede Menge Kom plikationen und Nebenwirkungen aufgeführt, die ich eigentlich gar nicht wissen will. Ich stecke die Unterlagen in meine Tasche, und wir vereinbaren einen Termin für meinen zehnten Zyklustag.
Die Sprechstundenhilfe gibt mir noch eine Aufgabe mit auf den Weg: »Zum ersten Ultraschall bringen Sie bitte zwei Urinproben mit. Eine vom Vortag um 20 Uhr gewonnene Probe und eine vom ersten Morgenurin, die Sie bitte bis spätestens Freitag früh, 8.30 Uhr, bei uns in der Praxis abliefern.«
O nein, das fängt ja gut an. Wir sind Donnerstagabend mit Marie und Michael beim Vietnamesen zum Essen verabredet. Um 19.30 Uhr. Wie um alles in der Welt soll ich da um 20 Uhr eine Urinprobe gewinnen? Ich starre auf das leere Glasröhrchen, das mir die Sprechstundenhilfe mitgegeben hat, und stecke es in meine Handtasche. Hm, irgendwas wird mir schon einfallen. Dann muss ich mich zwischen Frühlingsrolle und gebratener Hühnerbrust mit Ingwer eben mal kurz aufs Klo verabschieden.
Martin und ich sitzen mit Marie und Michael beim Vietnamesen. Maries Bauch ist mittlerweile so groß wie ein Basketball. Sie ist bereits im achten Monat und sieht blendend aus. Während der Tom-Ka-Ghai-Suppe erzählt sie uns von der Herausforderung, unter Hunderten von Modellen den idealen Kinderwagen zu finden.
»Der von Hesba sieht schon sehr gut aus, aber der Bugaboo ist leichter«, sagt sie. »Unglaublich, was es da für eine Riesenauswahl gibt. Und Ausstattungen wie beim Auto: Sportsitze, Sonnendach, verschiedene Bezüge. Carla, kannst du mir nicht helfen beim Aussuchen? Mit dir zusammen macht das viel mehr Spaß.«
Ich merke, wie für einen kurzen Moment ein komisches Gefühl in mir aufsteigt. Es ist kein Neid, denn ich freue mich wirklich für Marie. Trotzdem macht es mich traurig, weil mir ihr schwangerer Bauch immer wieder demonstrativ signalisiert: »Ich hab’s geschafft und du noch nicht.« Als stünden wir insgeheim im Wettbewerb. Was natürlich vollkommener Quatsch ist. Ich versuche, die Gedanken wegzuschieben. Marie ist meine beste Freundin!
Aber warum wurde sie sofort schwanger, während wir es schon so lange versuchen? Da sind sie schon wieder, die negativen Gedanken. Jetzt aber wirklich weg damit!
Mein Blick fällt auf die Uhr. Schon halb neun.
»Entschuldigt mich bitte kurz«, sage ich.
Einige Minuten später sitze ich wieder an meinem Platz und hoffe, dass ich den Verschluss auch fest genug aufs Glasröhrchen gedrückt habe. Das fehlt noch, dass die ganze Probe in meine Tasche läuft!
Ich muss innerlich lachen und schicke all meine traurigen Gedanken in den Urlaub. Die Chance, mithilfe einer Insemination schwanger zu werden, ist auf alle Fälle höher. Vielleicht kann Marie
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