Baby-Bingo
heute 7.30 Uhr an. Ist diese Angabe denn korrekt?«
»Klar, der Zeitpunkt stimmt«, sage ich, »und auch die Karenzzeit von vier Tagen, die ich angegeben habe.«
»Seltsam. Haben Sie die Probe vielleicht nahe der Heizung im Auto über eine weite Strecke transportiert?«, spekuliert Frau Schmidt.
»Nein, ich kam mit dem Fahrrad zur Praxis«, sage ich.
»Dann verstehe ich das nicht«, sagt Frau Schmidt.
»Ich habe die Probe sogar mit einer Wärmflasche körperwarm gehalten«, erzähle ich ihr stolz.
Ich höre, wie Frau Schmidt plötzlich kichert. Sicher darf sie das eigentlich nicht, sich über Patienten lustig zu machen.
»Herr Moretti, wissen Sie, wie hoch Ihre Körpertemperatur ist?«, fragt Frau Schmidt immer noch amüsiert.
Ich erinnere mich ganz schwach, dass auf den Fieberthermometern immer eine Markierung bei der Normaltemperatur zu sehen war.
»Na, im Normalfall so um die 36 Grad … oder 36,5«, rate ich, »obwohl ich ja ein heißblütiger Halbitaliener bin.«
Nun versuche ich auch mal einen Spaß. Frau Schmidt geht aber nicht weiter darauf ein. »Haben Sie in die Wärmflasche vielleicht sogar kochendes Wasser geschüttet?«
»Natürlich«, sage ich. Und verkneife mir die Frage, ob ich vielleicht in eine Wärmflasche kaltes Wasser schütten soll.
»Dann können Sie davon ausgehen, dass Ihre Probe anfangs mit etwa 70 Grad körperwarm gehalten wurde«, sagt Frau Schmidt. »Kein Wunder, dass da kaum mehr Verwertbares davon übrig ist.«
70 Grad? Das hätte ich nicht gedacht. Die Idee war also doch nicht so clever.
»Bin ich der erste Idiot, der so etwas gemacht hat?«, frage ich reumütig.
Frau Schmidt lacht nun ganz offen. »Ehrlich gesagt: ja. Mit einer Wärmflasche hat noch keiner unserer Patienten seine Probe ruiniert. Sie sind wirklich sehr kreativ.«
»Da sieht man mal wieder, dass übertriebene Fürsorge nach hinten losgeht«, sage ich.
»Ihre Frau ist für zwölf Uhr zu uns bestellt. Sie können selbst entscheiden: Entweder wir canceln den Termin kurzfristig. Oder Sie kommen sofort nochmals zu uns und produzieren die Probe direkt in der Praxis.«
»Direkt in der Praxis heißt …«
»Richtig«, sagt Frau Schmidt und erspart mir dadurch, ins Detail zu gehen. »Dann vermeiden Sie auch das Transportproblem.« Ihrer Stimme ist anzumerken, wie sehr sie sich noch immer amüsiert.
Sobald dieses Telefonat zu Ende ist, wird sie sicher sofort losprusten und ihren Kolleginnen von dem Idioten mit der Wärmflaschenaktion erzählen. Dieser Tag wird nicht nur in Carlas und meine Geschichte eingehen, sondern auch in die der Steinberger-Arztpraxis. Ich werde dort für alle Zeiten als Wärmflaschenclown abgestempelt sein. Noch in zwei Jahren werden sie über mich lachen.
»Ich muss Sie aber darauf hinweisen, dass Ihre Spermienqualität aufgrund der extrem kurzen Karenzzeit in der Qualität stark eingeschränkt sein könnte«, belehrt mich Frau Schmidt. »Das mindert dementsprechend auch die Erfolgsaussichten.«
»Was raten Sie mir also?«, frage ich verunsichert.
»Wie gesagt, Herr Moretti, das müssen Sie selbst entscheiden.«
Verdammt aber auch. Carla fiebert seit Tagen diesem Termin entgegen. Sie ist so optimistisch! Ich kann ihr doch nicht diese Chance durch meine Doofheit vermasseln. Na ja, zum Teil habe ich das ja bereits getan. Sie wird ziemlich sauer sein. Diesmal sogar zu Recht. Aber sicher ist sie weniger sauer, wenn ich versuche, mit einem Nachschuss meinen Fehler wieder nach Kräften auszubügeln.
»Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen«, sage ich zu Frau Schmidt.
»Jacqueline, ich muss mal kurz für eine Stunde auf einen Außentermin«, verabschiede ich mich bei der Sekretärin des Chefredakteurs. Zum Glück sind für uns Journalisten spontane Termine nichts Ungewöhnliches.
»Schon notiert«, sagt sie. »Viel Erfolg.«
Ja, wenn sie wüsste, wofür sie mir Erfolg wünscht …
Da stehe ich nun, mit einem transparenten Plastikbecher in der Hand und mit tiefer gelegter Hose in einem schmucklosen Untersuchungsraum. Eine Liege, mit Papier abgedeckt. Ein Tisch mit zwei Stühlen. Eine Zimmerpflanze. Der Becher. Und ich.
Draußen wartet Frau Schmidt, dass ich den Beweis meiner Zeugungsfähigkeit dem Becher anvertraue. Wie lange gibt sie mir wohl Zeit, bis sie ungeduldig wird? Wie lange brauchen die anderen Patienten? Bin ich denn überhaupt ein Patient ? Ich hoffe nicht, mir fehlt doch nichts. Außer der fertigen Probe.
Es ist schwieriger als erwartet, an einem Dienstagvormittag um 9.45
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