Baby-Bingo
Männer ist das Nachtleben ein Dschungel, um Frauen aufzuspüren. Ich hab meine Frau, was soll ich also weiter lospirschen?
In meinem Alter nähert man sich einem angesagten Klub, um die eigene Tochter abzuholen, sicher nach Hause zu bringen und auf der Fahrt zu checken, ob sie eventuell irgendwas Gefährliches geschluckt oder geraucht hat.
So hatte ich mir das zumindest immer vorgestellt. Älter werden mit Würde. Und mit einer Tochter. Denn entgegen der Mehrzahl aller Männer, die von Söhnen träumen, um damit eine familieneigene Fußballmannschaft aufzustellen, wäre mir eine Tochter viel lieber. Eine Carla im Miniformat. Und wie die Frauennationalmannschaft beweist, kann man auch mit einer Tochter inzwischen ganz gut Fußball spielen. Tochter, Kind … Ich bin wieder beim Thema. Auch ohne Carlas Einfluss komme ich nicht davon los.
»Was hast du auch anderes erwartet?«, fragt mich Stefan, als ich wenig später in seiner Küche sitze. Mir zuliebe hat er sich bereits um 14 Uhr aus dem Bett gequält und zaubert mit seiner betagten Pavoni-Maschine einen spitzenmäßigen Espresso.
»Coffee-to-stay«, sagt er und lacht.
Ich greife seine Frage wieder auf: »Was hätte ich nicht anders erwarten sollen?«
»Wenn du eine Frau triffst, deren Kompass bereits Richtung 40 zeigt, ist doch ganz klar, dass du der Letzte in der Kette bist. Da hättest du dir mal früher Gedanken machen sollen, wenn das für dich ein Problem ist. Nach meiner Erfahrung wünschen sich 99 Prozent aller Frauen ein Kind. Ganz egal, ob sie das zugeben oder nicht. Und wenn sie bis Mitte 30 noch keines haben, bist du eben der Terminator. So einfach ist das.«
Wer auf politisch korrekte Kommentare steht, sollte sich von Stefans Küche fernhalten. Er liebt es, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
»Stell dir vor, du wirst als Stürmer in der 85. Minute eines Champions-League-Finales eingewechselt. Was erwartet man da von dir? Dass du ein Tor schießt. Dass du die Kugel versenkst. Also hau das Ding rein, kann doch nicht so schwer sein. Und Carla ist doch immer noch eine heiße Maus.«
»Das immer noch wird sie freuen.«
»Sag, was ist euer Problem? Ihr seid doch fast in Harmonie ertrunken. Wieso hat sie dich nun endlich entsorgt?«
»War meine Schuld. Sie hat im Moment … na ja … keine Idealfigur. Die Hormone wegen des Schwangerschaftswunsches und das ganze Zeug. Da hab ich einen unpassenden Spruch gemacht.«
»Tut man das?«, fragt Stefan gespielt moralisch. »Und gerade du …«
»Wie meinst du das?«
»Na, guck dich mal an. The Sexiest Man Alive bist du auch nicht.« Er klopft auf meinen Bauch und lacht. »Onepack statt Sixpack.«
Ich muss zugeben, Stefan ist wirklich besser in Form als ich. Er trägt so eine Art T-Shirt mit Riesenausschnitt, die Til Schweiger gesellschaftsfähig gemacht hat. Darunter zeichnen sich perfekt definierte Brustmuskel ab.
»Du solltest aufpassen«, sagt Stefan. »Männer neigen zur Selbstüberschätzung. Neulich hab ich im Fitnessstudio einen Typen gesehen, der schleppte sicher 15 Kilo Übergewicht mit sich rum. Trotzdem hat er jede halbwegs attraktive Frau mit einem Blick angesehen, als wäre er einfach unwiderstehlich.«
»Schon gut, du Kaffeehausphilosoph.«
»Hi«, sagt plötzlich eine Mädchenstimme hinter mir.
Unbemerkt ist Lea in die Küche gekommen. Sie ist barfuß und trägt Stefans Bademantel, der ihr sichtlich zu groß ist.
»Machst du mir auch einen?«, sagt sie zu Stefan und deutet mit dem Kinn Richtung Kaffeemaschine.
»Alles klar bei dir, Baby?«, fragt Stefan sie und macht ihr einen Kaffee.
S ie sagt nichts, nickt nur müde, schnappt sich den Espresso und geht grußlos wieder aus der Küche. Ihr seltsamer Auftritt hat insgesamt nicht mal eine Minute gedauert. Mich scheint sie, wenn überhaupt, nur am Rande wahrgenommen zu haben.
»Die Jugend von heute«, sagt Stefan.
Lea wirkt wirklich erschreckend jung. Und zierlich, mädchenhaft. Eigentlich gar nicht Stefans Typ. Er bevorzugt sonst körperlich extrem präsente Frauen.
»Hat sie denn schon Abi?«, frage ich.
»Ist bei mir kein Auswahlkriterium.«
»Jetzt mal im Ernst, sie ist maximal 20.«
»19, falls du es genau wissen möchtest.«
»Sie könnte also deine Tochter sein.«
»Ist sie aber nicht. Du hast ja gesehen, sie sieht mir gar nicht ähnlich – sie ist hübsch.«
Es ist für Stefan noch zu früh, um mit ihm ein seriöses Gespräch zu führen.
»Aber … was habt ihr denn für Gesprächsthemen?«, starte ich einen neuen
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