Baby-Bingo
Zweitens, dass mein Spruch über deine veränderte Figur wirklich völlig daneben war. Drittens werde ich wirklich alles tun, damit dein Traum, schwanger zu werden, bald in Erfüllung geht. Viertens möchte ich zusammen mit dir eine Reise machen.«
»Eine Reise?«, wiederholt Carla mit einem großen Fragezeichen in der Stimme.
»Die anderen drei Gründe beeindrucken dich also nicht?«
»Die hatte ich erwartet. Allerdings soll es nicht nur mein Traum sein, ein Kind zu bekommen, sondern auch deiner.«
»Schon klar, war nur falsch formuliert.«
»Aber selbst, wenn es perfekt formuliert wäre, es sind nur Worte, Martin«, sagt Carla plötzlich ganz ernst. »Mit Worten kann man sich einschmeicheln, das beherrschst du gut. Man kann den anderen aber auch brutal verletzen. Auch das kannst du bestens, wie du gezeigt hast.«
»Es tut mir wirklich leid«, wiederhole ich. »Ich hab das wirklich nicht so gemeint.«
Carla geht nicht weiter darauf ein. »Dass ich mich überhaupt wieder mit dir treffe«, sagt sie, »liegt daran, dass ich nicht grundsätzlich an deinen Gefühlen zu mir zweifle. Aber davon abgesehen, fällt die Bilanz für dich im Moment nicht so gut aus.«
»Wie meinst du das?«
»Ich hatte in den letzten Wochen das Gefühl, dass dich das Wohlbefinden irgendeines Spielers von Bayern München mehr interessiert als das deiner Frau. Ich fühle mich allein gelassen. Und das in einer wirklich schwierigen und extremen Zeit für mich. Wann hast du mich zum letzten Mal gefragt, wie es mir wirklich geht? Wie es in mir drin aussieht? Was diese ganzen Hormone nicht nur mit meinem Körper, sondern auch mit meiner Psyche anstellen?«
»Schon gelegentlich, oder?«
»Mag sein. Aber ehrliches Interesse stelle ich mir anders vor. Sehr viel intensiver. Ich komme mir im Moment wie eine Einzelkämpferin vor. Das Projekt Kind ist fast komplett zu meinem geworden. Die meisten Paare aber wachsen gerade in dieser Phase noch mehr zusammen, die bilden ein Team, Martin!«
Ganz gerecht finde ich Carlas Vorwurf nicht. Es mag sein, dass ich sie nicht im Zehn-Minuten-Takt nach ihrem Wohlbefinden frage. Das ist aber auch nicht meine Art, mit schwierigen Situationen umzugehen. Ich versuche lieber, eine grundsätzlich gute und optimistische Stimmung zu verbreiten, als stundenlang Probleme zu sezieren und zu analysieren. Ich gehe da eben anders ran. Ich bin kein chronischer Händchenhalter. Was aber nicht heißt, dass ich mir keine Gedanken mache.
»Weißt du, ich fühle mich wie in einem dieser Zweierbobs bei den Olympischen Winterspielen. Du schiebst mal kurz an, dann springst du hinten rein und lässt mich vorn den Rest machen.«
»Du hast heute einen Hang zu Sportvergleichen.«
»Ich habe gelesen, das hilft, um von Männern besser verstanden zu werden.« Zum ersten Mal an diesem Abend lächelt Carla etwas. »Keine Angst, ich bin auch gleich fertig mit meinem moralischen Vortrag. Aber du hast mich verletzt, wirklich verletzt. Und du musst dich ändern. Ich wünsche mir mehr echte Zuwendung, mehr Verständnis. Sonst besteht die Gefahr, dass wir statt eines kleinen Babys große Probleme bekommen und unsere Beziehung daran zerbricht. Ja, wir sind gar nicht so weit davon entfernt, wie du vielleicht denkst. Aber du musst dazu jetzt nichts sagen. Denk einfach mal drüber nach.«
Carla guckt verzückt zum Nachbartisch, an dem eine dieser Klischeefamilien Platz genommen hat. Eine Familie wie aus der Schokoriegelwerbung, die das Leben ohne Kinder zum stillen Vorwurf macht. Eltern, die auch nicht mehr ganz taufrisch wirken, mit zwei Mädchen, offensichtlich Zwillinge, vielleicht fünf Jahre alt. Und natürlich darf der Golden Retriever nicht fehlen. Er hat sich sofort brav unter den Tisch gelegt, mit der Schnauze in unsere Richtung. Der Hund guckt Carla so treuherzig an, wie ich das nie hinkriegen würde.
»Wohin soll die Reise denn gehen?«, fragt Carla.
»Ich dachte, wir holen endlich mal unsere Flitterwochen nach.«
Unsere Hochzeitsreise ist auch eines dieser »Eigentlich«-Themen. Seit zwei Jahren schieben wir sie vor uns her. Direkt nach der Hochzeit hatten wir weder Zeit noch Geld, um was ganz Besonderes zu machen. So machten wir erst mal gar nichts. Bis heute. Doch das soll sich nun ändern.
»Ich dachte an die Malediven.«
»Du machst einen Witz«, sagt Carla.
»Nein, die Witze kommen erst später.«
»Du weißt, dass das immer mein Traum war! Du bist verrückt.«
Nun, verrückt bin ich nicht. Denn, und das sage ich Carla
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