Baby-Bingo
»Wirklich vorzüglich, die Kürbissuppe.«
Carla
Die Schwangerschaft
»Wie alt ist er denn, der Kleine?« Eine ältere Dame bleibt ste hen und lächelt ganz verzückt in den Kinderwagen.
»Das ist eine Sie «, sage ich. »Sechs Monate ist sie jetzt alt.«
Und schiebe stolz die Decke etwas zur Seite, sodass die Dame Paula ausführlicher bewundern kann.
»Was für ein süßes Kind! Und so schöne große Augen! Ganz die Mama.«
Ich schlucke. Ja, ganz die Mama, denke ich und sage nichts. Schön wär’s. Zu schön ist das Gefühl, für einen kurzen, winzigen Moment Mama zu sein. Denn Paula ist nicht mein Kind, sondern Maries.
Ich verabschiede mich und gehe weiter. Schiebe den Kinderwagen an diesem sonnigen Samstagmorgen durch den Englischen Garten und stelle mir vor, wie es wäre, wenn unser Kind darin liegen würde. Mein Yogalehrer erzählte mir mal, dass der schnellste Weg zur Wunscherfüllung der ist, so zu tun, als hätte sich der Wunsch bereits erfüllt. Wenn man sich immer wieder eine bestimmte Situation bildlich vorstellt, realisiert sie sich irgendwann. Die Kraft der Gedanken. Verstärkt wird das Ganze durch Worte, die man immer wiederholt. Wie ein Mantra. Ach, wenn das so einfach wäre.
Leise fange ich an, vor mich hinzumurmeln: »Ich habe ein Baby. Ich habe ein Baby.«
Paula lächelt, als fände sie das auch ein tolles Spiel.
Marie ist beim Friseur. Sie rief mich heute Morgen mit einer Stimme an, an der ich sofort erkannte, dass es sich um einen Notfall handeln muss.
»Carla, Schatz, ich brauch dich. Meine Babysitterin ist ausgefallen. Seit Monaten haben meine Haare keine Farbe mehr gesehen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich aussehe. Wie eine Kanalratte. Da dachte Michael immer, er sei mit einer Blondine zusammen. Und jetzt stellt er fest, dass seine Freundin ein Fake mit maulwurfbraunen Haaren ist. Was meinst du? Könntest du Paula mal für drei Stunden übernehmen?«
»Klar, kein Problem.«
Ich liebe Paula. Ich meine, das Kind der besten Freundin ist immer was ganz Besonderes. Schon als ich Paula das erste Mal sah, hatte ich sofort dieses Verbundenheitsgefühl. Und während der ersten Monate war ich neben Michael der einzige Mensch, dem Marie ihr Kind anvertraute. Paula am Samstag im Kinderwagen für ein paar Stunden durch den Park zu schieben, ist auch für mich mal eine willkommene Abwechslung zu unserem üblichen Stadtbummel.
Wir sind bei Marie und Michael zum Essen eingeladen. Seit Paula auf der Welt ist, treffen wir uns jetzt immer häufiger bei ihnen statt in Restaurants. Dadurch sparen sie sich einen Babysitter, und auch wir profitieren davon: Michael kocht nämlich besser als so mancher Profi.
»Mein Jamie Oliver«, sagt Marie zu ihm. Denn Michael kocht nicht nur so kreativ wie der Engländer, er sieht ihm auch noch extrem ähnlich.
Marie öffnet uns die Tür mit einer schlafenden Paula auf dem Arm.
»Ich bring sie nur schnell ins Bett. Bin gleich bei euch. Michael ist in der Küche.«
Was auch der Duft von gebratenem Fisch und Kräutern verrät.
Maries loftartige Maisonettewohnung liegt mitten in der Stadt. Das Wohnzimmer mit dem offenen Kamin ist nach oben hin offen und zeigt die alten, weiß gestrichenen Holzbalken. Die großen Fenster reichen bis zum Boden und geben einen Blick über die Dächer Münchens frei. Eine Wohnung, in die man sofort einziehen möchte.
Wir setzen uns an den langen Holztisch, an dem mühelos eine zwölfköpfige Familie Platz hätte. Michael kommt aus der Küche, ein Küchenhandtuch um die Taille gebunden. Seine dunkelblonden Haare stehen wild vom Kopf ab.
»Hallo, wie schön, euch zu sehen«, begrüßt er uns.
Marie und ich, wir haben das große Glück, dass sich auch unsere Männer gut verstehen. Was ja nicht selbstverständlich ist. Ich meine, nur weil wir beste Freundinnen sind, müssen es ja nicht auch unsere Männer sein. Doch Martin und Michael teilen die gleichen Interessen – Wein trinken und Ski fahren. Und das ist bei Männern schon mal eine gute Basis für eine Freundschaft.
Es gibt Thunfischsteaks mit frischem Koriander und Basilikum. Dazu einen Vernaccia-Weißwein aus San Gimignano. Martin ist begeistert. Und so gesprächig wie lange nicht mehr. Normalerweise entspricht Martins Kommunikationsdrang dem eines Alm-Öhis. Dort, wo er herkommt, wird nicht viel Aufhebens um Worte gemacht. Man bespricht das Notwendigste. Alles andere ist unnützes Gerede. Im Laufe der Jahre habe ich mich daran gewöhnt, mit einem großen Schweiger
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