Baby-Bingo
ich kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich mir statt drei nun sechs genehmige. Schließlich esse ich für zwei.
Im Internet melde ich mich bei einem Schwangerschafts-Newsletter an, der mich jede Woche darüber informiert, wie sich unser Baby entwickelt und mein Körper sich verändert. Der hat sich glücklicherweise vorerst nur für die positiven Schwangerschaftsmerkmale entschieden. Mein Busen wächst weiter und spannt so extrem, dass ich das Gefühl habe, mein BH platzt jede Sekunde. Selbst Martin ist von seiner neuen Miss Wonderbra sichtlich beeindruckt.
Übelkeit und Heißhungerattacken auf Käsebrot mit Nutella? Fehlanzeige. Nur Pickel habe ich. Meine Haut sieht aus wie Tante Rosas Streuselkuchen. Ansonsten fühle ich mich blendend.
Gestern habe ich mich bereits dabei ertappt, wie ich Kindernamen notiert habe. Charlotte, wie meine Großmutter? Oder lieber Louisa? Und wenn’s ein Junge wird: Julian, Paul oder Max? Ich kann mich nicht entscheiden. Aber ich habe ja auch noch Zeit. Acht Monate, um genau zu sein. Und Martin wird sicher auch noch den einen oder anderen Vorschlag beisteuern.
Ich bin jetzt in der siebten Schwangerschaftswoche, und unser Baby hat jetzt ungefähr die Größe einer Walderdbeere. Auf dem Ultraschallbild sieht es wie eine kleine Kaulquappe aus. Eine süße Kaulquappe mit überdimensionalem Kopf und kleinem Schwanz am Rücken. Ein evolutionäres Überbleibsel, das sich aber wieder zurückbildet, wie mir Frau Doktor Steinberger versicherte.
Was für ein Wunder. Da wächst so ein kleiner Mensch in deinem Bauch, wird immer größer, und nur 40 Wochen später hältst du dein eigenes Kind im Arm.
Schon als kleines Mädchen habe ich mir Kinder gewünscht. Was sicher auch daran lag, dass ich meinen Vater früh verloren habe. Ich war zehn Jahre alt, als er an einem Herzinfarkt starb. Seit diesem Tag träumte ich davon, endlich wieder eine komplette Familie zu sein. So eine, wie wir es früher einmal waren. Mit Vater, Mutter, Kind. Dieser Sehnsucht nach familiärem Zusammenhalt und Liebe bin ich mein Leben lang hinterhergelaufen. Dass ich dann doch so lange warten musste, bis sich mein Traum endlich erfüllte, hatte ich mir damals zwar nicht vorgestellt. Aber ich war ja schon immer mit allem etwas später dran im Leben. Und lieber spät ein Baby als überhaupt nicht.
Wenn ich es mir so überlege, finde ich, dass der Zeitpunkt für Martin und mich nicht besser hätte sein können. Gut, ein paar Jahre früher wäre ein Kind auch schön gewesen. Aber ich habe Martin ja auch erst spät in meinem Leben kennengelernt.
Ehrlich gesagt, waren wir beide an einem Punkt angelangt, an dem unser Leben etwas stagniert. So, als hätte jemand die Pausetaste am DVD-Player gedrückt und danach vergessen, wieder auf Play zu drücken. Ich meine, es ist nicht so, dass wir zu zweit nicht glücklich sind. Im Gegenteil. Wir haben tolle Freunde, lieb gewonnene Rituale. Wie unseren Stadtbummel jeden Samstag und unser gemütliches Sonntagsfrühstück. Aber meine Güte, wie lange will man eigentlich in seinem Leben noch durch die Stadt tigern und Dinge konsumieren, die man eigentlich nicht braucht? Gibt es nichts Wichtigeres im Leben? Wir sind, sagen wir mal, etwas erstarrt in unserer Routine. Zwar haben wir viel von der Welt gesehen. Aber ist es nicht tausendmal schöner, die Welt durch Kinderaugen neu zu entdecken? Durch die Augen unseres Kindes. Und alles, vor allen Dingen sich selbst, nicht ganz so wichtig zu nehmen.
Das Baby macht unser Glück komplett, und ich kann es kaum abwarten, bis es endlich da ist. Endlich hat sich mein größter Wunsch erfüllt. Und das sogar noch vor meinem 40. Geburtstag, wie ich es mir gewünscht habe. Auch wenn unser Baby bis dahin noch in meinem Bauch sein wird. Na ja, typisch für mich: Wie immer eben alles auf den letzten Drücker.
Es ist Freitagabend. Martin und ich kochen. Ein weiteres Ritual. Der Freitagabend gehört uns. Denn wir sind während der Woche beide beruflich viel unterwegs. Mit Kunden essen, Meetings, die sich bis weit in den Abend hineinziehen. Aber der Freitagabend gehört uns, er ist der Einstand ins gemeinsame Wochenende.
Und meistens auch wieder der Tag, an dem wir Sex haben. Entspannten Sex. Keinen Sex nach Plan, weil ich wieder mal kurz vorm Eisprung stehe, sondern Juchhu-wir-haben-Wochenende-und-Spaß-daran-Sex. Seitdem der Druck weg ist und ich schwanger bin, hat sich auch unsere Beziehung verändert. Die Leichtigkeit, die ich so lange vermisste, ist
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