Babylon: Thriller
schönen Gebäude aus elfenbeinfarbenem Kalkstein, dessen Fassade mit kunstvollen Steinmetzarbeiten reichhaltig verziert war.
»Das Grand Hotel de Londres«, verkündete Ward. »Hier machen wir erst einmal Halt.«
Schon der erste Schritt in das Hotel versetzte uns zurück ins vorangegangene Jahrhundert – prächtige Bleikristallleuchter, viktorianische Tapeten, vergoldete Art-Deco-Statuen rechts und links einer breiten Treppe. Früher einmal weinrot, waren die samtenen Polster der Sitzmöbel im Laufe der Zeit verblasst.
Ward ließ den Blick schnell durch den Raum huschen, als wir den Salon betraten, schaute auf seine Uhr und meinte ungehalten zu Eris: »Ich sehe unsere Kontaktleute nicht. Ich dachte, sie sollten hier auf uns warten.«
»Sie werden schon kommen. Sie müssen im Verkehr stecken geblieben sein«, sagte sie.
»Wir zahlen ihnen genug, um pünktlich zu sein«, schnappte Ward. »Sehen wir zu, dass wir einen Tisch bekommen – ich sterbe vor Hunger.«
Er ging zur Bar, während wir an einem Tisch Platz nahmen. Ich sah, wie er mit dem Barkeeper redete und ihm ein Bündel Banknoten in die Hand drückte. Der viktorianische Stil wurde auch in diesem Raum derart konsequent durchgehalten, dass er als Kulisse für einen Film über die englische Kolonialzeit hätte benutzt werden können. Lebendige Papageien spreizten ihre smaragdgrünen Flügel in Bambuskäfigen. Ab und zu gab einer der Vögel ein lautes Krächzen von sich, aber was immer sie zu sagen hatten, es war kein Englisch. Fast erwartete ich, Graham Greenes Myatt aus Orient-Express an der Bar sitzen und seinen Gin Tonic trinken zu sehen.
Wards Laune hatte sich gebessert, als er zurückkam. Er war wieder ganz der freundliche, großzügige, weltläufige Professor. Er hatte ein ganz besonderes Talent, die dunkle Seite seines Charakters, die seine Persönlichkeit bestimmte, für kurze Zeit hinter sich zu lassen. »Unser Kontaktmann hat im Hotel angerufen. Er wird in Kürze eintreffen. Ich erfuhr außerdem, dass es nicht üblich ist, in der Bar zu essen, aber ich konnte den Barkeeper überreden. Ich habe einen Imbiss und ein paar Drinks bestellt.«
»Übernachten wir hier?«
»Nein. Wir halten uns nur kurz auf und fahren dann weiter. Wir brauchen noch etwa fünf Stunden bis zu unserem Ziel.«
»Afyon – die Stadt, die Sie erwähnten?«
»Nördlich davon.« Der Barkeeper unterbrach unsere Unterhaltung mit einem Tablett Getränke und bediente Ward noch vor Eris. Er machte einen beinahe unterwürfigen Diener, wahrscheinlich aus Dank für das fürstliche Trinkgeld, das Ward ihm zugesteckt haben musste. Ich spielte mit dem Gedanken, der New Yorker Polizei mit seiner Hilfe eine Nachricht zukommen zu lassen, bezweifelte jedoch, dass ich es schaffen würde, mich mit ihm unter vier Augen unterhalten zu können.
Ward entschied sich, wieder mal den Professor hervorzuholen. »Das Hotel gehört zu den Häusern in der Stadt, von denen aus man den besten Blick auf das Goldene Horn hat. Es liegt etwas abseits der üblichen Touristenrouten, weshalb ich immer sehr gerne hierherkomme. Erbaut wurde es im Jahr 1892, kurz nachdem Istanbul an die Strecke des Orient Express angeschlossen wurde. Die Eisenbahn brachte eine neue Welle von Invasoren hierher: englische Touristen auf der Suche nach der nahöstlichen Mystik. Agatha Christie schrieb Mord im Orient Express im Pera Palace Hotel, ein Stück die Straße hinunter, und in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts saß Ernest Hemingway des Öfteren genau an dieser Bar hier.«
»Das hier kommt mir aber so vor, als wäre es für Hemingway ein wenig zu vornehm. Ich glaube, ich habe mal gelesen, dass er in China Wein aus einem Glas getrunken hat, in dem sich acht Schlangen ringelten.« Ich genoss den verwirrten Gesichtsausdruck Wards, nachdem ich ihm seinen Auftritt ein wenig vermasselt hatte.
Zwei Männer erschienen im Eingang zur Bar. Eris lächelte – mit einem Anflug von Erleichterung, wie ich zu erkennen glaubte – und winkte ihnen zu. Einer war schätzungsweise Mitte dreißig, den anderen, dessen schwarzes Haar vereinzelte graue Strähnen aufwies, tippte ich auf fast fünfzig. Sie trugen leichte Sommeranzüge, keine Krawatten, dafür Sonnenbrillen, obwohl die Sonne schon lange untergegangen war. Der jüngere trug eine goldene Uhr mit einem schweren Gliederarmband am Handgelenk. Sie sahen aus, als kämen sie direkt aus Der Pate III .
Ward bot ihnen auf seine übliche großspurige Art etwas zu trinken an, was sie
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