Babylon: Thriller
so, als hätten Sie sie eigenhändig umgebracht.«
Seine Männer zogen mich von ihm weg. Einer von ihnen zückte eine Pistole. Tomas winkte ab und massierte die Stelle, wo meine Faust ihn am Kinn getroffen hatte. »Steck das weg; das ist nicht nötig.« Er sah mich an. »Sie tun sich damit nicht den geringsten Gefallen, Madison.«
Für einige Sekunden herrschte Stille, ehe Tomas weiterredete. »Sie hatten sie schon geschnappt, als ich die Schrifttafel an mich nahm. Es gab nichts, was ich hätte tun können.«
»Ward wollte sie haben. Er war bereit, sie auszutauschen.«
»Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass sie das wirklich getan hätten, oder?«
»Es war meine einzige Hoffnung, sie zu retten. Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, die Polizei einzuschalten, ohne das Ward etwas bemerkte. Sie haben alles verdorben und mir jede Chance genommen. Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, das Mausoleum aufzusuchen und sich dort umzuschauen?«
»Laurel erwähnte mal etwas von Hals enger Beziehung zu seiner Mutter. Dann berichtete Ari, was Sie über das Grabmal auf dem Trinity Cemetery gesagt haben. Ich erinnerte mich daran, weil ich ganz in der Nähe wohnte, während ich die Columbia University besuchte. Sie sagten Ari, dass Sie es nicht geschafft hätten hineinzugelangen. Ich suchte und fand das Mausoleum ohne Namen und nahm ein Werkzeug mit, um das Schloss zu knacken.«
»Und was war mit mir? Sie haben mich im Stich gelassen.«
Tomas hatte auch zu seinen besten Zeiten keine besonders hohe Toleranzgrenze, daher dauerte es nicht lange, bis ihm der Geduldsfaden riss. Er schimpfte: »Was hätte ich denn Ihrer Meinung nach tun sollen? Mir saß einer von Wards Leuten im Nacken, und ich habe es kaum geschafft, das Land unbehelligt zu verlassen. Mazare und ich sind ein hohes Risiko eingegangen, Sie hierherzubringen. Sie können von Glück reden. Wir hätten Sie genauso gut Ihrem Schicksal überlassen können.«
»Weshalb diese Mühe?«
Tomas gestattete sich ein Lächeln. »Vielleicht bin ich doch kein so schlechter Mensch, wie Sie annehmen.«
»Tatsächlich? Nachdem Sie kaltblütig einige Leute umgebracht haben?«
»Nachdem sie das Gleiche mit uns versucht haben, meinen Sie sicher, oder?«
»Sind sie alle tot?«
»Eris und Shim gewiss. Und die beiden Helfer. Was Ward betrifft, bin ich mir nicht sicher. Er wurde zumindest schwer verletzt. Sie können froh sein, dass meine Männer nicht lange gefackelt haben.«
»Wie haben sie uns gefunden?«
»In das Jackett, das sie Ihnen gaben, waren Peilsender eingenäht.«
»Sie haben mich fliehen lassen, um Sie zu finden.«
»Ja.«
»Aber Mazare hat mein Jackett untersucht und nichts gefunden.«
Tomas lächelte abermals. »Ja, er hat das Jackett untersucht.«
Es dauerte einige Sekunden, ehe mir ein Licht aufging. »Mazare wusste über die Peilsender Bescheid. Sie wollten, dass sie uns folgen.«
Tomas strahlte jetzt regelrecht. »Wir haben ihnen einen Köder hingehalten, und sie haben ihn geschluckt.«
Abermals gewann bei mir die Wut überhand über meine Erschöpfung. »Sie und Ward sind sich völlig gleich, wissen Sie? Menschenleben bedeuten Ihnen gar nichts.«
Tomas wischte diesen Vorwurf mit einer Handbewegung beiseite. »Nicht gar nichts. Aber es steht bei uns nicht unbedingt an erster Stelle.«
Ich ließ das fürs Erste auf sich beruhen. »Jemand muss die New Yorker Polizei darüber informieren, was wirklich vorgefallen ist.«
»Wenn Sie zurückkommen, können Sie alles erzählen, wem immer Sie wollen. Ich werde es ganz sicher nicht tun. Aber nehmen Sie sich in Acht. Sie gehörten zu den letzten Personen, die Hal und Laurel lebend gesehen haben. Es könnte für Sie gefährlich werden.«
»Das Risiko gehe ich ein. Wo ist die Schrifttafel Nahums? Ich möchte sie wenigstens einmal sehen.«
»Zu gegebener Zeit.«
»Was reden Sie da – zu gegebener Zeit? Sie müssen sie doch hierhaben. Sie würden sie niemals aus den Augen lassen.«
Tomas wedelte mit der Hand herum, als verscheuchte er ein lästiges Insekt. »Nicht einmal dieser Ort ist hundertprozentig sicher. Sie muss ständig beschützt werden.«
Mein Zorn loderte wieder hoch. »Ich glaube Ihnen kein Wort.«
Er hatte nur Verachtung für mich übrig. In seiner überlegenen Position konnte er sich das erlauben.
»Nach dem, was mit Samuel geschah, nach allem, was er durchgemacht hatte, haben Sie kein Recht, mir die Tafel vorzuenthalten.«
Damit berührte ich offensichtlich einen wunden Punkt.
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