Babylon: Thriller
Ellbogen hochgekrempelt, und ein cremefarbener Gummigurt schnürte seinen Arm derart ab, dass das Fleisch Runzeln bildete.
Als Hal mich entdeckte, klappte er sein Feuerzeug zu und legte einen Teelöffel auf den Tisch neben einen verschließbaren Plastikbeutel, der ein grauweißes Pulver enthielt. »John, dein Timing ist wieder einmal absolut perfekt.«
Ich trat durch den Bogeneingang und setzte mich auf den Vorsprung der Mauer, die eine Seite des Pavillons bildete. Ich warf einen Blick zurück, um nachzusehen, ob noch jemand anderer aus dem Haus gekommen war, dann zog ich eine der Jalousien herunter. Eine Motte flatterte aus der Rolle heraus, die weißen Flügel so dünn wie Seidenpapier.
Man hätte annehmen können, dass Hal es war, der soeben einen Unfall überlebt hatte, und nicht ich. Ich erschrak, wie zerbrechlich er aussah. Ein Muster violetter Blutergüsse zierte seinen nackten Arm; frische Einstichwunden und alte Injektionsnarben. Mit dreiunddreißig war er nur ein Jahr älter als ich, sah jedoch eher aus wie fünfzig.
Er runzelte die Stirn. »Du bist noch immer ein freier Mann.«
»Natürlich. Warum auch nicht?«
»In den Zeitungen war von einem Strafverfahren die Rede. Es heißt, du hättest dich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten.«
»Der Unfall liegt sechs Wochen zurück und bisher ist nichts geschehen. Du weißt, wie immer übertrieben wird. Ich bin diese Strecke eine Million Mal gefahren. Du könntest mir die Augen verbinden.«
Er hob die Schultern. »Nun, im Augenblick haben wir nur dein Wort. Samuel kann sich nicht mehr dazu äußern.«
»Hal, du bist gerade im Begriff, dir einen Schuss zu setzen. Also erzähl mir nichts über natürliche Risiken.«
Er lachte. »Hier gibt es keine Gefahr. Außer du hast das Pech, absolut reinen Stoff zu erwischen.«
Seine Sucht war für mich nichts Neues. Angefangen hatte es eher scherzhaft, doch dann wurde es zu einem täglichen Ritual. Unser geschäftliches Projekt, die Sammlung seines Vaters zu verkaufen, würde nicht mehr lange dauern, denn wir hatten bereits den größten Teil des Familienschatzes unter die Leute gebracht.
Er deutete auf den Löffel. »Ein Teil des kompletten Bestecksatzes, den Mutter zusammengeklaubt hat. Eine Auftragsarbeit des spanischen Herrschergeschlechts, heißt es. Sechzehntes Jahrhundert, vom Haus von Bourbon y Grecia. Ein Hochzeitsgeschenk, um die Verbindung von Kastilien, Aragon und Navarra zu feiern.«
Ich nahm den Löffel vorsichtig in die Hand. Ich wusste, dass Hal durchdrehen würde, wenn ich seinen kostbaren Inhalt verschüttete. Ich konnte das Wappen auf dem Griff erkennen: in der unteren Hälfte ein Schild, in den oberen Vierteln ein drohend aufgerichteter Löwe und eine Burg, darüber eine Krone. Als Kunst- und Antiquitätenhändler hatte ich auf die harte Tour einiges gelernt, was das Erkennen von Fälschungen betrifft.
Ich legte den Löffel zurück auf den Tisch und seufzte. »Du weißt, dass dieses Besteck nicht echt ist, sonst hättest du es längst verkauft.«
»Du hast natürlich recht. Es war das Einzige, was Mutter ohne unseren Rat gekauft hat. Sie war damit so glücklich. Vater erkannte auf Anhieb, dass es bloß eine Kopie war. ›Und dazu noch eine schlechte Kopie‹, höre ich ihn heute noch sagen. Es hat ihn zwei Wochen lang köstlich amüsiert. Wie immer habe ich sie vehement verteidigt. Ich schaffe es einfach nicht, es zu verkaufen.«
»Hal, ich bin heute nur hierhergekommen, weil du mir aus dem Weg gehst. Du schuldest mir von dem, was ich dir geliehen habe, noch fast zweitausend Dollar. Wann kriege ich das Geld zu sehen?«
»Ich habe eine lange Liste von Gläubigern. Du kannst dich gerne hinten anstellen.«
Meine Stimme wurde ein wenig lauter. »Wie witzig. Das ist aber nicht das, was du gesagt hast, als ich dir das Geld gab.«
Hal krümmte sich, als ob ich einen besonders empfindlichen Nerv getroffen hätte. »Du bist so aggressiv, Madison. So ganz anders als dein Bruder. Samuel hat mich gelehrt, die Schönheit alter Stücke und ihre Geschichten zu würdigen. Es ist für mich schon schwer genug, die Besitztümer meines Vaters zu verkaufen, aber dir geht es nur um Dollars. So war es schon immer zwischen uns. ›Ich zuerst‹, das ist dein Motto.«
Unsere Beziehung hatte von Anfang an zwischen heiß und kalt geschwankt, doch diesmal war ich nicht bereit, auf seine schlechte Laune Rücksicht zu nehmen, und meine Verärgerung steigerte sich zu heftigem Zorn. »Ich habe mich noch
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