Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babylon: Thriller

Babylon: Thriller

Titel: Babylon: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. J. McIntosh
Vom Netzwerk:
zu fantasiebetonten Spielen käme daher, dass mir eine Vaterfigur gefehlt habe. Samuel war einfach zu oft und zu lange unterwegs, um diese Rolle auszufüllen. Aber in jüngster Zeit war ich zu einer anderen Schlussfolgerung gelangt. In meinen Augen war er immer so etwas wie ein Gott gewesen. Und damit kann man nicht konkurrieren. Ähnlich müsste es sein, so stellte ich mir vor, einen Prominenten als Vater zu haben, einen Megarockstar oder einen Helden des Sports. Das Licht, das deren Söhne aussandten, wäre im Vergleich mit ihnen immer nur ein trüber Schein.
    In meinen jüngeren Jahren bekam ich das Wort Heiliger nahezu regelmäßig zu hören. »Dein Bruder ist ein wahrer Heiliger, so wie er sich mit dir beschäftigt, weißt du«, sagten die Leute. »Du gehörst natürlich zur Familie, aber das musste er nicht tun.« Der Direktor einer der Privatschulen, die ich besuchte, sagte einmal zu mir: »Ich gebe dir eine zweite Chance nur aus Respekt vor deinem Bruder. Dieser Mann muss die Geduld eines Heiligen haben.«
    Nun, da ich älter war, ernsthafter nachdachte und nicht impulsiv aus momentanen Entschlüssen heraus handelte, musste ich lernen, mit meiner selbstzerstörerischen Neigung zu leben. Samuel entschied im Zweifelsfall immer zu meinen Gunsten. »Das ist eben deine Natur«, sagte er, nachdem er mir wieder einmal aus einer meiner Kalamitäten herausgeholfen hatte. »Du bist jung, du hast deinen Weg im Leben noch nicht gefunden. Du beweist eine Menge Mut, John. Ich wünsche mir oft, ich wäre ein wenig mehr wie du.«
    Der Erkenntnis, dass Samuel offenbar durch meine Aktionen zu Tode gekommen war, konnte ich mich immer nur für einen kurzen Moment stellen. Hatte jemand meinen Wagen von der Seite abgedrängt oder war das nur ein Trick, den mir meine Einbildung spielte, irgendeine Fantasie, die ich mir zurechtgelegt hatte? Ich war unfähig, der restlichen Welt gegenüber meine Schuld einzugestehen. Sollte der Schmerz doch mein Herz auffressen. Ich hatte es nicht besser verdient.
    Ich gab mir einen inneren Ruck und nahm das neue Problem in Angriff. Dieses abhandengekommene Objekt – was konnte das sein? Es konnte nur aus dem Irak stammen. Beim letzten Mal, als ich mit Samuel gesprochen hatte, erzählte er mir, dass gestohlene Stücke von den US -Armeebehörden sichergestellt würden. Wenn Samuel nun irgendetwas an sich genommen hatte, um es vor Plünderern zu schützen, warum hatte er es dann nicht einfach dort abgeliefert? Es war gewiss nicht die berühmte sumerische Vase von Warka. Diese war beim Museum von drei Männern aus einem Wagen hinausgeworfen worden. Die Vase war in vierzehn Stücke zerbrochen, konnte jedoch wieder zusammengesetzt werden – es war allgemein in der einschlägigen Szene bekannt, dass Diebe schon mal ein Objekt zerbrachen, es stückweise per Post nach Europa oder in die Vereinigten Staaten schickten und es dann zusammensetzten, sobald sie alle Teile beieinanderhatten. Es war auch nicht die Harfe von Ur. Sie war erheblich beschädigt worden, als die Intarsien herausgebrochen worden waren, aber sie war nicht gestohlen worden und den berühmten goldenen Stierkopf, der den Resonanzkörper verzierte, hatte man zu seinem Schutz rechtzeitig entfernt.
    Dass Samuel das hohe Risiko einging, eine Antiquität nach New York herüberzuschicken, legte die Vermutung nahe, dass es sich um ein sehr wertvolles Stück handelte. Mesopotamische Artefakte konnten einen Wert von einigen Tausend bis hin zu mehreren Millionen Dollar haben, je nachdem, in welchem Zustand sie sich befanden und was für Inschriften sie trugen. Obgleich die Plünderungsaktionen längst beendet worden waren, musste dieses Objekt aus irgendeinem Grund immer noch gefährdet gewesen sein. Anderenfalls hätte Samuel es sicherlich zurückgegeben. Mittels sorgfältiger Elimination glaubte ich, die Möglichkeiten einengen zu können, worum es sich handeln mochte. Mindestens fünfzehn größere Objekte und knapp zehntausend kleinere – Rollsiegel, Schmuck und kleine Figuren – waren und blieben verschwunden. Der wertvolle Löwe von Nimrod, ein Elfenbeinrelief aus dem Jahr 850 v. Chr., war nicht mehr aufzufinden, ebenso ein wunderschöner, aus Kupfer gehämmerter Kopf der römischen Siegesgöttin, der in den parthischen Ruinen auf der Ausgrabungsstätte von Hatra gefunden worden war. Hatte er vielleicht eines dieser beiden Stücke retten wollen?
    Während eines unserer letzten Telefongespräche, ehe er nach Hause zurückkehrte, hatte Samuel

Weitere Kostenlose Bücher