Babylon: Thriller
Mann«, hatte Samuel ihn beschrieben, »und ein unermüdlicher Arbeiter.«
Ich ging ins Wohnzimmer und blätterte unsere Fotoalben durch. Auf seine sorgfältige Art und Weise hatte Samuel jedes Bild genau beschriftet, und ich fand schon bald ein paar Bilder, die an einer seiner Ausgrabungsstätten aufgenommen worden waren. Auf mehreren war auch Zakar zu sehen: wie er gerade ein Artefakt vermaß, wie er neben Samuel in einem Graben kniete, wie die beiden am Ende des Tages in ihrem Zelt saßen und einander zuprosteten.
War es ein Zufall, dass der Typ ausgerechnet in der Nacht hier auftauchte, in der Hal starb? Ich beschloss, die Einladung anzunehmen, in der Hoffnung, dass er ein wenig Licht in dieses Durcheinander brachte.
Das Adrenalin, das mich während der Nacht in Trab gehalten hatte, versiegte plötzlich. Eine tiefe Müdigkeit ergriff mich. Ich wusste, dass ich meinem Körper nicht mehr allzu viel zumuten konnte. Ich ließ mich auf das Bett fallen und versank sofort im seligen Vergessen eines tiefen Schlafs.
Fünf
Sonntag, 3. August 2003, 9:00 Uhr
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem Bärenhunger und der Erkenntnis, dass ich dringend sowohl mit meinem Anwalt als auch mit der Polizei reden musste. Ich hatte in der vergangenen Nacht völlig panisch reagiert und sollte das auf irgendeine Art und Weise wettmachen. Ich hinterließ bei meinem Anwalt, Andy Stein, eine Nachricht, in der ich ihn bat, mich gleich am Montagmorgen anzurufen.
Bei News One wurde keine Meldung gebracht, aber die Times hatte immerhin fünf Zentimeter einer Spalte für Hal reserviert. Eris und ihr seltsamer Begleiter wurden jedoch nirgendwo erwähnt. In der Meldung wurde ein Detective, Paul Gentile aus dem Zehnten Bezirk, zitiert, der meinte, nichts spreche für ein Verbrechen. Das war der allgemein übliche Kommentar bei Opfern, die sich selbst das Leben genommen hatten. Normalerweise finden Drogenfälle wie dieser keinerlei öffentliche Erwähnung, aber wenn eine reiche Persönlichkeit an einer Überdosis stirbt, wird es natürlich in den Nachrichten gemeldet.
Ich brauchte drei Anrufe, um in Paul Gentiles Büro durchgestellt zu werden, doch dort erfuhr ich nur, dass er erst in ein paar Stunden erwartet werde. Ich vereinbarte für die Mittagszeit einen Termin mit ihm.
Ich duschte und schlüpfte in ein sommerlich leichtes Prada-Hemd und ein Jackett mit Hose, die ich mir während meiner letzten Reise nach Mailand hatte maßschneidern lassen. Es war sicher nicht falsch, sich in Schale zu werfen, wenn man der Polizei einen Besuch abstattete. Ich brühte eine Kanne Kaffee auf, stellte Cornflakes und Milch auf den Tisch und gönnte mir eine reichliche Portion. Die ungeöffnete Post der letzten Wochen bildete auf der Küchenanrichte einen regelrechten Turm, der jeden Moment umzukippen drohte. Ich hatte seit dem Unfall nur wenig Lust gehabt, mich mit irgendwelchem Alltagskram herumzuschlagen. Ich blätterte die Briefe durch, während ich aß. Rechnungen über Rechnungen und Beileidsbekundungen. Ich fand auch Dianes handgeschriebene Karte in dem Stapel.
Die Rechnungen erinnerten mich daran, dass ich wegen Samuels Nachlass noch nichts unternommen hatte. Diese traurige Aufgabe lag noch vor mir. Ein Umschlag von einer Firma, von der ich noch nie gehört hatte, Teras Distributing, befand sich ebenfalls in dem Stapel. ERINNERUNG 25. JULI stand in roten Lettern darauf. Darin wurde bestätigt, dass Gegenstände, die Samuel gehörten, über einen diplomatischen Kurierdienst an das Lager der Firma in New York geschickt worden seien. Das Paket befinde sich dort in sicherer Verwahrung und warte darauf, abgeholt zu werden.
Nachdem ich die Telefonnummer auf dem Formular gewählt hatte, erklärte ich dem Mann, der meinen Anruf entgegennahm, ich sei Samuel Diakos, und nannte ihm die Bearbeitungsnummer. Er bat mich zu warten. Als er sich wieder meldete, meinte er, das Paket sei bereits abgeholt worden.
»Wer hat die Annahme bestätigt?«
»Das waren Sie.« Er hielt kurz inne. »Sir?«
Ich legte auf, wobei mir schlagartig ein Licht aufging. Ich wusste jetzt, was Hal getan hatte. Er hatte meine Hausschlüssel nie zurückgegeben, seitdem er für einige Zeit nach dem Tod seiner Mutter bei mir gewohnt hatte. Er hatte damals erklärt, er müsse für einige Zeit aus seiner Wohnung raus, weil er die Erinnerung an sie nicht ertragen könne. Da ich sowieso die meiste Zeit unterwegs war, hatte ich Mitleid mit ihm. Er musste in meiner Wohnung gewesen sein,
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