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Babylon: Thriller

Babylon: Thriller

Titel: Babylon: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. J. McIntosh
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während ich im Krankenhaus lag, hatte wohl die Post durchsucht und die Nachricht des Frachtlagers gefunden.
    Samuel bewahrte in seinem Arbeitszimmer eine Kopie seiner Personalpapiere auf, seit sie ihm vor vier Jahren in einem Hotel in Beirut gestohlen worden waren. Ich brauchte ein paar Minuten, um den Mut aufzubringen, seine Räumlichkeiten zu betreten. Dort öffnete ich seine Schreibtischschublade. Er bewahrte die Ersatzpapiere in einer Kunststoffhülle auf, die mit einem roten Gummiband umwickelt war. Das Gummiband war verschwunden. Hals Nachlässigkeit verriet die ganze Geschichte. Das Objekt, das er gestohlen hatte, war Samuels Eigentum gewesen. Das erklärte das Wie, das Wer und in etwa das Wann. Das Warum war simpel. Er brauchte das Geld.
    Samuel war für Hal immer wie ein guter Onkel gewesen. Da er wusste, wie weh es getan haben musste, als Hals eigener Vater ihn vernachlässigt hatte, gab Samuel sich die größte Mühe, diesen Mangel auszugleichen – indem er stets an Hals Geburtstag dachte, ihn ins Theater und in alle möglichen Museen mitnahm. Gelegentlich war ich richtig eifersüchtig, die Aufmerksamkeit meines Bruders mit Hal teilen zu müssen. Und so hatte dieser Bastard sich bei uns revanchiert!
    Das Wissen um Hals Diebstahl erfüllte mich erneut mit Traurigkeit. Es erinnerte mich wieder daran, wie viel ich in so kurzer Zeit verloren hatte.
    In Samuels Büro herrschte die Atmosphäre eines für immer verschlossenen und verlassenen Ortes. Ich nahm den leichten Tabaksgeruch wahr, der von den Pfeifen in ihrem Gestell im Regal herüberdrang. Seine Abwesenheit war geradezu greifbar. Als ich seine Papiere an ihren angestammten Platz zurücklegte, fiel mein Blick auf ein gerahmtes Aquarell auf seinem Schreibtisch. Es war das einzige Stück, das vom Haus seiner Eltern in Griechenland übrig geblieben war. Seine Mutter, die ums Leben gekommen war, als die Nazis das Dorf in Brand setzten, hatte es mit äußerster Sorgfalt gemalt. Sie hatte es einem Handwerker im Ort gegeben, um den Rahmen zu reparieren, und dessen Werkstatt war von dem Feuer verschont worden. Als Samuel einige Jahre nach Kriegsende zu einem kurzen Besuch dorthin zurückkehrte, hatte der Mann ihm das Bild ausgehändigt.
    Ich wollte die Uhr auf die Zeit vor dem Unfall zurückdrehen, um zu hören, wie Samuel durch die Haustür hereinkam, wie er es immer zu tun pflegte, eine Ausgabe der Times zusammengefaltet unter dem Arm und in den Händen unser Frühstück und zwei Milchkaffee. Wir wechselten uns jeden Sonntag ab. In der einen Woche ging er zu Katz’s und brachte Salami und viereckige Kartoffel-Knishes nach Hause. In der nächsten Woche war ich an der Reihe und ging zu Murray’s, um frische Bagels und frischen Räucherlachs aus Neuschottland zu holen.
    Samuel hatte diese Ausflüge zu Katz’s genossen, und nicht nur wegen der Speisen. Sie lieferten ihm einen Grund, durch die Lower East Side zu spazieren, den Ort, an dem er zuerst gelandet war, als eine Familie nach dem Krieg für ihn die finanzielle Patenschaft übernahm, damit er nach Amerika auswandern konnte. Er liebte die alten Mietshäuser aus rotem Klinker, die mittlerweile in immer größerer Zahl zu luxuriösen Eigentumswohnungen umgebaut wurden, und die Straßen mit ihrem Spaghettigewirr von überirdischen Strom- und Telefonleitungen und den zahllosen Discountläden mit ihren von Tür zu Tür reichenden Schaufensterfronten.
    Ich wünschte mir diese Gedanken aus dem Kopf. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich so sein wie jeder andere. Mit der U-Bahn zu einem langweiligen Job fahren. Mich einschränken müssen, um meine Hypothekenzahlungen leisten zu können. Nach der Arbeit mit Freunden ein Bier trinken. Jeder andere sein, nur nicht ich.
    Ich konnte mich immer darauf verlassen, dass mein Bruder der Anker in den Stürmen war, die mein Leben durcheinanderwirbelten. Ich rief mir seinen Anblick ins Gedächtnis: von kleiner Gestalt, topfit nach Jahrzehnten anstrengender Tätigkeit in seinem Gewerbe, die Haut wettergegerbt, in den Augen ständig ein launiges Lächeln. Er war vorsichtig und stets pünktlich und besaß ein absolut präzises Gedächtnis. Er war das totale Gegenteil des geistesabwesenden Akademikers.
    Ich erinnerte mich an einige dieser lange zurückliegenden Sommerabende zu Hause. Samuel rauchte seine Pfeife, während ich glücklich und zufrieden mit meiner Eisenbahn spielte und das eiserne Bodengitter des Balkons als Schienen benutzte. Freunde erzählten mir, dieser Hang

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