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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Reich
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machte. Gut, der schwierigste Teil stand ihm noch bevor, aber hatte er seine Henkersausbildung nicht mit Bravour bestanden?
    Keller bemühte sich um investigativen Journalismus. Zeigte den Werdegang des Menschen zum Mörder. Wie ein Jedermann zum Niemand wurde. Natürlich waren die Fakten streng selektiert worden. Der Zuschauer sollte nicht noch im letzten Moment Mitleid mit dem Täter bekommen. Am Ende der gut einstündigen Sendung sollte Ramirez nichts Menschliches mehr an sich haben. Es gab gestellte Szenen, wie der kleine Angelo Katzen den Schwanz ausriss. Wie er als Jugendlicher anfing, Feuer zu legen. Stationen einer verwahrlosten Kreatur. Während der Werbepausen vollführte Keller ein paar Tanzschritte, um dem Publikum einzuheizen. Burleske Sprünge ins Gemüt. Seine Arbeit hatte mehr mit dem bunten Treiben auf dem Jahrmarkt zu tun als mit der kühlen Eleganz eines Gerichtssaals. Er dirigierte die Massen. Auf das fatale Ende zu. Denn sie hatten sich nicht versammelt, um eine Kirmes zu veranstalten. Am Ende würde Ramirez, der jetzt noch lethargisch in sich hinein jammerte, seinen Kopf verlieren.
    Keller betätigte einen Hebel, der im hinteren Teil der Bühne eine rechteckige Fläche öffnete. Hydraulische Pumpen schoben die Guillotine nach oben. Ein Raunen ging durch die Menge. Er durfte die enge Bindung an sein Publikum nicht verlieren. Schnell eine geschickte Überleitung finden, das war es! Einen Knopfdruck später ertönte eine schale Lachsalve vom Band. Keiner wagte es, mitzulachen, aber seit wann wäre es dem wütenden Pöbel je zum Lachen gewesen? Keller hatte den Zauber gebrochen. Freudloses Johlen schlug ihm entgegen. Es klang wie der kehlige Wutschrei einfacher Arbeiter. Solche, die acht Stunden Fabrikarbeit mit einem kalten Bier runterspülten. Oder auch zwei. Deren beschränkter Verstand mit einfachen Lösungen zufrieden zu stellen war. Wenn er sie erreichte, war der Marktanteil von Final Justice gesichert.
    „ Ich möchte jetzt unseren unabhängigen Sachverständigen Doktor Ethan Stewart auf die Bühne bitten.“
    Doktor Stewart trat ihm entgegen, einen weißen Umschlag in der Hand.
    „In diesem Umschlag befindet sich das offizielle Urteil für den Fall Ramirez. Ich möchte sie nun daher bitten, unserem Publikum die Entscheidung mitzuteilen.“
    „ Die Jury hat mit zwölf zu einer Stimme für den Tod durch das Beil gestimmt.“
    „ Dann wollen wir Recht vor Gnade ergehen lassen. Würden sie bitte die Funktionstüchtigkeit der Guillotine überprüfen?“
    Doktor Stewart klemmte eine Melone zwischen die Lünetten. Auf ein einfaches Handzeichen ließ Keller das Beil hinab sausen. Mit einem sauberen Schnitt fiel die Melone in den Bastkorb, das Rote nach oben.
    „Regie, kann ich einen Trommelwirbel bekommen?“
    Wie bei der Oskarverleihung , dachte Keller träumerisch. Fehlt nur noch der rote Teppich . Ramirez spuckte vor ihm aus.
    „ Aber, aber. Wo bleiben denn ihre Manieren. Wollen sie sich in den letzten Augenblicken ihres Lebens nicht ihre Würde bewahren?“
    „ Genau darum spucke ich vor ihnen aus.“
    Hastig packten ihn Kellers Gehilfen, um ihn unter das Beil zu spannen. Alles Praktikanten, die einen Ferienjob bei Kanal 6 absolvierten. Als man ihnen sagte, dass sie bei der Erstellung einer Pilotfolge mitwirken durften, waren sie ganz aufgeregt. Nun breitete sich eine tiefe Blässe um ihre Nasen herum aus. Keller streifte sich Gummihandschuhe über. Sein Anzug würde trotzdem etwas abbekommen, aber dazu waren Sponsoren schließlich da, oder nicht? Ein Anzug pro Folge wurde gestellt. Mit einer weit ausholenden Geste zog er an der Leine, die die Schneide nach unten beförderte.
    Ramirez Kopf fiel in den Korb, wie die Melone wenige Minuten zuvor. Bloß  dass eine Melone nicht blutete. Der Strahl aus Ramirez Hals schoss weit vor die Bühne. Zum Glück hatten sie diesen Bereich abgeriegelt. Was von böser Vitalität in ihm gewesen war, würde schon bald die Straßenreinigung aufgewischt haben. Keller griff in den Mittelstrahl und zog den Kopf am Haarschopf hoch. Hielt ihn der Menge wie ein Mahnmal entgegen, bevor er ihn ihr vor die Füße warf. Die Kamera hielt drauf, wie ein paar Jugendliche mit ihm Fußball spielten.
    „ Und Schnitt. Keller, sie waren hervorragend. Sechzig Prozent Einschaltquote! Die Sendung wird der Brüller.“
    „ Ich brauche jetzt erstmal einen Whisky.“
    „ Selbstverständlich. Kommen sie, junger Mann, ich muss sie ein paar wichtigen Leuten vorstellen.“
    Während

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