Baccara Exklusiv Band 04
dann festgestellt, dass sie nicht länger dorthin gehörte. Ihre Eltern hatten ihr zwar versichert, dass sie willkommen sei und gern so lange bleiben könne, bis sie sich wieder gefangen habe, aber ihre unausgesprochenen Fragen verursachten ihr Unbehagen.
Noch schlimmer war es für sie, dass ihre Eltern die unglückliche Wende der Dinge so widerspruchslos akzeptierten. Bisher habe nie etwas bei ihnen geklappt. Warum hätte es ausgerechnet mit der Straußenfarm anders laufen sollen? hatte ihr Vater nur erklärt.
Als sie den leeren Eimer nun auf der Veranda abstellte und ihre verdreckten Stiefel abwischte, tauchte ihr Bruder Jimmy auf.
"Hi, Karen." Er zögerte einen Moment und fuhr dann fort: "Ich weiß, dass du die Red Canyon verlierst, aber du hast doch noch die Vögel. Warum kannst du sie nicht einfach hierher bringen und weitermachen?"
"Na klar", erwiderte sie spöttisch.
"Ich meine es ernst. Lad sie hier eine Weile ab, wir haben doch noch leere Weiden. Sammle ein paar neue Eier, verkauf sie und zahl damit eine neue Ranch an. Du hast doch sicher davon gehört, dass die Farm der Murphys zum Verkauf steht."
"Die Idee ist verrückt, Jimmy. Es würde nie funktionieren."
"Verrückt? Du hast vielleicht Nerven! Meine Idee ist auch nicht verrückter als deine, um es mal ganz klar zu sagen. Du siehst das mit Clem Shaners Land viel zu sentimental."
Ob Jimmy Recht hat? überlegte sie. Auch Mike hatte vorgeschlagen, die Strauße auf eine andere Ranch überzusiedeln, und sie hatte den Gedanken als völlig absurd abgetan. Doch im Grunde hatte Mikes Desinteresse an der Red Canyon sie viel mehr aufgebracht als der Verlust der Ranch. Vielleicht beharrte sie nur deshalb so starrköpfig darauf, dass die Vögel sich nicht woanders aufziehen ließen.
Aber ihre Liebe zu Mike war im Laufe der Zeit so mit ihren Gefühlen für die Red Canyon verschmolzen, dass sie sich das eine ohne das andere nicht mehr vorstellen konnte. War sie dermaßen von ihrem Traum besessen, gemeinsam mit Mike auf dem Land seiner Vorfahren zu leben, dass sie für vernünftige Alternativen blind geworden war?
Vielleicht hatte sie sich ja auch von Mike ein zu idealisiertes Bild gemacht und war dann schnell bereit gewesen, ihn zu verdammen. Aber nur weil er nicht alle Probleme zu ihrer Zufriedenheit hatte lösen können, war er schließlich noch kein herzloses Ungeheuer.
Als er das Geld für die Rückzahlung des Darlehens nicht hatte aufbringen können, hatte er versucht, andere Kapitalquellen aufzutun. Er hatte versucht, eine Lösung zu finden, die sie zufrieden stellte. Und sie hatte sich geweigert, auch nur den kleinsten Kompromiss einzugehen.
Sie selbst hatte keinerlei Pläne entwickelt, um ihren Traum zu retten. Sie hatte sich allein auf ihn verlassen, alles wieder ins Lot zu bringen. Als er dazu dann nicht im Stande gewesen war, hatte sie ihm Vorwürfe gemacht.
Voller Gewissensbisse dachte sie daran, wie sie von der Ranch geflohen war – ohne auch nur eine einzige erklärende Zeile für ihn zu hinterlassen.
Dabei war ihr klar gewesen, wie enttäuscht er darüber sein würde, dass sie gegangen war. Vielleicht hatte sie ihn sogar ganz bewusst verletzen wollen, einfach aus der absurden Vorstellung heraus, dass er es nicht anders verdiente. Aber er hatte ihr ja nicht absichtlich wehgetan. Er war Geschäftsmann, und als solcher hatte er vernünftige Entscheidungen zu treffen. Ihre Weigerung, das zu akzeptieren, war nicht nur kindisch, sondern auch unfair gewesen.
Karen blickte auf ihre Uhr. Noch war Zeit genug, den Schaden wieder gutzumachen. Sie könnte zur Red Canyon zurückkehren, bevor Mike auftauchte, und er würde nie erfahren …
"Karen?" ertönte die Stimme ihrer Mutter aus dem Haus. "Karen, wo bist du? Hier ist jemand, der dich sprechen möchte."
Oh Gott, nein! Sie wusste, wer der Besuch war, noch bevor sie die vertrauten, energischen Schritte hörte. Ihre Sachen waren verdreckt, und sie roch bestimmt nach Schweinestall.
Seine ganze Körperhaltung verriet Zorn und Empörung. Er wirkte wie eine Katze, als er sie nun mit seinen grünen Augen anstarrte, die schmal wie zwei Schlitze waren. Eine große, bedrohliche Katze.
Unbewusst trat sie einen Schritt zurück. "H… hi, Mike."
"Sag nicht 'Hi, Mike' zu mir! Wie kannst du es wagen?" fuhr er sie an.
"Wie ich es wage, 'Hi' zu sagen?"
"Wie kannst du es wagen, einfach zu verschwinden, ohne mir Bescheid zu sagen? Weißt du überhaupt, was das für ein Gefühl ist, ins Haus zu kommen und dich
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