BACCARA EXKLUSIV Band 45
meinte Hector. Er ließ Sunnys Schultern los und stand auf.
„Warte“, bat Sunny und kam mühsam auf die Beine.
Erstaunt sah sie sich um. Der Garten war inzwischen voller Helfer und Neugieriger. Ein Feuerwehrwagen stand in der Auffahrt, und vier Männer in Ölkleidung spritzten mit Schläuchen Wasser auf das Dach des ehemaligen Lagerhauses. Sie entdeckte Marnie in Begleitung einer Nachbarin. Suchend schaute sie nach Chase, doch er war nirgends zu sehen.
Plötzlich erinnerte sie sich: Gracie!
Dichter Rauch quoll aus der Tür zum Haus, und Flammen züngelten am Rahmen. Angst schnürte ihr die Kehle zu, als sie auf das Haus zueilte.
„Bleiben Sie zurück, Miss.“
„Sie verstehen nicht!“ Verzweifelt wehrte sie sich, als einer der Feuerwehrleute sie packte und von dem brennenden Haus wegzerrte. „Jemand ist noch dort drin!“, schrie sie gegen den Lärm des Feuers und der Wassermassen an.
„Sie können nicht hinein! Aber machen Sie sich keine Sorgen, wir werden den Einsatzleiter benachrichtigen.“
Der Mann hielt sie fest, ein anderer rannte zum Löschfahrzeug hinüber. Dort setzte er sich mit scheinbar endlos langsamen Bewegungen eine Atemschutzmaske auf. Und dann sah sie Chase, der, den Vogelkäfig in der Hand, aus dem Haus stolperte. Die beiden Männer eilten sofort zu ihm und stützten ihn, als er sich auf den Rasen sinken ließ.
Nachdem sie ihn in Sicherheit gebracht hatten, nahm Hector ihm den Käfig ab, und die Sanitäter befestigten eine Sauerstoffmaske vor Chase’ Gesicht. Sunny fiel neben ihm auf die Knie und griff nach seiner Hand. Er hatte die Augen geschlossen, doch sein Puls schlug gleichmäßig.
„Gracie ist nicht in dem Käfig“, stellte Hector fest und sah zu den lodernden Flammen.
Oh, Gracie, dachte sie, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Doch sie blickte unverwandt auf Chase. Er war in Sicherheit. Er lebte. Und das war für sie am wichtigsten. Und so würde es immer sein.
Der Rest der Nacht verging für Sunny wie hinter einem Schleier. Nachdem die Feuerwehr abgerückt war, musste sie sich noch den Fragen der Polizei stellen. Sie erzählte ihnen, was geschehen war, im Wohnzimmer ihrer Tante, wobei Alma allen Tee servierte.
Niemand war von ihrer Ankündigung, gegen Arnie Zimmerman keine Anzeige zu erstatten, angetan. Das konnte sie deutlich spüren.
Chase war sogar wütend auf sie, was sein beharrliches Schweigen ihr verriet.
„Es war ein Unfall“, versicherte sie und berichtete weiter von den Ereignissen dieser Nacht. Als sie zu der Stelle mit Gracie und dem Feuerzeug kam, sah sie alles wieder klar vor sich. Fast glaubte sie, noch die kleine heiße Flamme zu spüren, als sie die Finger nach dem Feuerzeug ausgestreckt hatte.
„Sie wollen also keine Anzeige gegen Mr. Zimmerman erstatten?“, wiederholte der Polizeibeamte abschließend noch einmal und klappte sein Notizbuch zu.
„Nein, das will ich nicht“, blieb sie bei ihrer Haltung.
„Wir werden ihn dennoch verhören müssen“, erklärte er mit skeptischer Miene und erhob sich. „Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Bezirksstaatsanwalt Anklage erhebt, wenn Sie bei Ihrer kleinen Geschichte bleiben.“
Es versetzte ihr einen Stich, als Chase dem Polizeibeamten ohne ein weiteres Wort hinausfolgte.
Eine Nacht darüber zu schlafen hat auch nichts geändert, dachte Sunny, als sie am nächsten Tag auf der Veranda stand und die Trümmer ihres Hauses betrachtete. Noch immer lag der Geruch nach verkohltem Holz in der Luft. Im Tageslicht war das Ausmaß der Zerstörung erst vollständig deutlich geworden. Die Mauern standen zwar noch, doch auf einer Seite war das Dach völlig eingestürzt.
„Du kannst es wieder aufbauen“, sagte Marnie.
„Aber es wäre dann nicht mehr dasselbe.“
„Nichts bleibt, wie es war. Änderungen sind ein Teil des Lebens.“
„Das klingt schon wieder nach deinen Fernsehserien.“ Sunny sah wieder zu den Ruinen. „Aber das wirkliche Leben ist nicht wie im Fernsehen.“
„Wie kannst du das behaupten? Die letzte Nacht war mindestens so dramatisch wie ein Thriller.“
„Davon, dass du dir den Schutthaufen ansiehst, verschwindet er nicht“, rief Alma von drinnen. „Komm rein, Sunny, ich habe gerade etwas Tee gekocht.“
„Trinkt ihr beide den Tee“, lehnte Sunny ab. „Ich werde die Trümmer einmal genauer unter die Lupe nehmen.“
Sie lief die Verandatreppen hinunter und überquerte den Rasen. Dort, wo früher die Eingangstür ihres Hauses gewesen war, blieb sie stehen,
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