BACCARA EXKLUSIV Band 45
rüttelte ihre Tante an den Schultern. „Du kannst aufhören, dich schlafend zu stellen. Du bist genauso nüchtern wie ich!“
Alma schlug die Augen auf. „Rüttle mich nicht so, sonst verliere ich meine Zähne!“
„Das wird dein kleinstes Problem sein, falls du mir nicht schleunigst verrätst, was hier gespielt wird.“
Alma schnaufte und zupfte ihre Kleidung zurecht. „Das war alles Marnies Idee. Ich hatte ja gleich meine Zweifel, ob das gut geht.“ Sie hob vorwurfsvoll den Zeigefinger. „Aber in einem hatte sie recht: Für die Kinder würdest du Chase sogar heiraten.“
„Du hast also gelauscht!“
„Die Küche ist schließlich gleich nebenan. Wie konnte ich euer Gespräch da überhören?“
Sunny ließ sich neben Alma auf das Sofa sinken und stützte den Kopf in die Hände. „Das fasse ich einfach nicht!“ Sie schnupperte. „Wenn nur Tee in der Flasche ist, wieso riechst du dann wie eine Bar zur Sperrstunde?“
„Ich habe ein wenig von dem Sherry, den ich zum Kochen benutze, in ein Parfumfläschchen gefüllt und mich damit eingesprüht. Wie findest du das?“
„Das sage ich dir lieber nicht“, erwiderte Sunny grimmig.
„Warum machst du so eine große Sache daraus? Es ist doch ganz offensichtlich, dass du ihn liebst und er dich. Genau wie in einer meiner Lieblingsserien …“
„Ich will nichts mehr davon hören!“
„Am Schluss fanden die beiden durch eine Brieftaube zueinander“, schwärmte Alma. „Ich wette, Gracie wird für euch auch noch …“
Sunny sprang auf. „Gracie! Um Himmels willen!“ Sie lief zur Tür. „Ich habe Gracie ganz vergessen. Ich habe den Käfig dort gelassen, als ich losfuhr, um mich mit Mr. Shulman zu treffen. Eigentlich hatte ich sie abholen wollen, aber dann kam der Anruf von Chase dazwischen, in dem er von einem Notfall sprach. Ich muss sofort los.“ Abrupt blieb sie stehen. „Aber was ist mit den Kindern? … Natürlich! Du bist ja nüchtern!“ Damit eilte sie den Flur hinunter.
Alma lief ihr nach. „Du vergisst die Observierung.“
„Mach dir deswegen keine Gedanken. Ich weiß, wie ich hineinkomme. Das habe ich als Kind immer gemacht. Hector und Chase werden gar nicht merken, dass ich dort bin.“
10. KAPITEL
Sunny schloss ihren Wagen ab und schlug den Weg zum Sunnydale Park ein. Dichte Wolken zogen über den Himmel, sodass das Mondlicht immer nur kurz zum Vorschein kam. Doch selbst in der Finsternis hatte Sunny keine Mühe, die alte Trauerweide wiederzufinden, deren Äste bis zum Boden hingen.
Sie schob die Zweige zur Seite und kletterte den Hügel hinauf. Je höher sie gelangte, desto steiler wurde es, bis sie schließlich an Sträuchern Halt suchen musste, um vorwärts zu kommen.
Wie viele Jahre war es her, seit sie diesen Pfad von der Schule nach Hause gegangen war? Fünfzehn? Aber der einzige Unterschied zu heute schien das Fehlen der Gurte ihres Schulranzens zu sein, die ihr in die Schulter schnitten.
Oben angekommen, machte Sunny eine Pause. Als der Mond dann kurz zwischen den Wolken hervorlugte, sah sie auf ihre Uhr. Halb zehn. Es war weniger als eine halbe Stunde her, seit sie Chase’ Apartment verlassen hatte.
Gracie war mittlerweile seit drei Stunden allein. Der Gedanke daran genügte, um Sunny den Hügel hinuntereilen zu lassen. Doch schon nach wenigen Schritten gab der Boden unter ihr nach, und sie rutschte ein Stück auf dem Po bergab. Fluchend stand sie wieder auf und strich sich mit zitternden Händen die Haare aus dem Gesicht. Wenn sie sich ein Bein brach, würde niemand sie vor Tagesanbruch finden. Sie hielt sich am nächsten Busch fest und hangelte sich vorsichtig weiter. Am Fuß des Hügels wurde das Gestrüpp noch höher und dichter.
Sunny versuchte etwas durch die Büsche hindurch zu erkennen und ärgerte sich, eine Taschenlampe vergessen zu haben. Als ein paar Blätter ihre Wange streiften, erschrak sie und hätte um ein Haar laut aufgeschrien. Aber allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie schlich weiter, bis sie vage die Umrisse ihres Hauses erkannte. Sie blieb stehen und lauschte. Die Geräusche der Nacht kamen ihr plötzlich viel intensiver vor. Die Grillen zirpten lauter, das Rauschen des Windes in den Blättern schwoll an, und über ihr knarrte ein Ast. Sie war außer Atem, und ihr Herz hämmerte in der Brust.
Sie ging in die Hocke und lehnte sich an einen Baumstamm. Es sind nur die Nerven, beruhigte sie sich. Warum, um alles in der Welt, sollte sie gerade jetzt jemand angreifen
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