BACCARA EXKLUSIV Band 45
aufbäumte. „Ganz ruhig.“ Sanft, aber bestimmt drückte er sie wieder auf das Bett zurück.
Es ist erstaunlich, wie ungedämpfter Schmerz den Blick klären kann. Jenna betrachtete seine Hand. Sie war groß und kräftig, mit einer gezackten weißen Narbe oberhalb der Fingerknöchel. Jenna runzelte die Stirn. Dann sah sie zu seinem Gesicht und erstarrte. Als er sich über sie beugte, fielen ihm seine etwas zu langen dunklen Haare in die Stirn. Seine Augen waren dunkelbraun und hatten lange schwarze Wimpern. Sein wacher Blick verriet, dass ihm kaum etwas entging. Sie betrachtete die ausgeprägten Wangenknochen, den ausdrucksvollen Mund mit den sinnlichen Lippen und das markante Kinn mit der Kerbe darin. Die Kerbe weckte ihre Erinnerung, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie die erwachsene, attraktivere Ausgabe von … Noch einmal sah sie alarmiert auf seine Hand.
„Stanley Michaels!“, schrie sie.
„Denk nicht einmal daran, mir wieder in die Hand zu beißen. Im Übrigen bin ich Dr. Stan Michaels.“ Er klang bestimmt, doch schwang Humor in seinem Ton mit.
Verblüfft schüttelte sie den Kopf. „Du bist doch nicht etwa tatsächlich Arzt?“ Sie konnte es nicht fassen. Es schien unmöglich zu sein.
„Doch, das bin ich. Du kannst es gern an der Universität von Virginia nachprüfen“, versicherte er ihr. „Du klingst überrascht, Jenna Jean.“
„Nur Jenna“, korrigierte sie ihn und fügte hinzu: „Und ja, ich bin überrascht.“
Er nahm ihr Krankenblatt. „Irgendwelche Allergien?“
„Gegen Limabohnen.“ Der Schock und die Überraschung ließen allmählich nach, und eine neue Welle des Schmerzes erfasste sie. „Können wir bitte weitermachen? Ich habe das Gefühl, mich übergeben zu müssen.“
„Die Krankenschwester wird sofort hier sein.“ Er drückte mitfühlend ihre Schulter. „Was hast du denn erwartet, was aus mir wird?“, fragte er.
„Dass du im Gefängnis endest“, erwiderte sie unverblümt, obwohl sie vermutete, dass er sie nur von ihren Schmerzen ablenken wollte.
„Das war während meiner Highschool-Zeit.“ Dr. Stan Michaels grinste betont provokant und nickte der Schwester zu, die den Raum betrat.
„Wir haben einen freien OP“, erklärte sie.
„Gut. Danke, Riley.“
„Ein paar von uns gehen nach der Schicht noch etwas trinken. Wir würden uns freuen, wenn Sie zu uns stoßen, sobald Sie mit der Operation fertig sind“, fuhr Schwester Riley fort.
Jenna stand kurz davor, von dem Jungen aufgeschnitten zu werden, der sich früher in die Umkleidekabine der Mädchen geschlichen hatte. Und nun war sie auch noch gezwungen, mit anzuhören, wie sich eine Frau an ihn heranmachte. Das war zu viel für sie.
„Stanley Michaels wird mich operieren!“, rief Jenna, und ihr Mund war trocken vor Angst.
Er zuckte die Schultern. „Wenn du bis morgen warten willst, kannst du auch einen anderen Arzt bekommen.“
„Bis morgen?“, wiederholte sie fast wimmernd. Sie war ja nicht einmal sicher, ob sie es noch weitere fünfzehn Minuten aushalten konnte. Sie schluckte hart. „Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?“
„Ja.“
Sie kniff die Augen zu und betete. „Na schön, dann tu es.“
Stan tätschelte ihre Hand. „Es wird alles wieder gut. Schon bald wirst du nichts mehr spüren.“
Wenn man tot ist, spürt man nichts mehr, dachte sie, und ihr Magen zog sich zusammen.
„Er ist ein großartiger Arzt“, sagte Riley, deren Stimme vor Bewunderung triefte.
Doch aus irgendeinem Grund trösteten sie die Worte der Krankenschwester nicht. Sie war sicher, dass Rileys Bild von Stan verzerrt war.
„Die Patientin soll sofort an den Tropf. Tut mir leid, aber ich werde nicht nachkommen können“, erklärte er der Krankenschwester und wandte sich fast liebevoll an Jenna. „Schlaf gut, Jenna Jean.“
„Hier ist das Rezept für das Schmerzmittel“, sagte Stan am darauf folgenden Nachmittag, kritzelte etwas auf einen Block und riss das oberste Blatt ab.
Jenna blinzelte. Noch immer konnte sie es nicht fassen, dass Stanley Michaels sie operiert hatte. Es war schwer, über die Tatsache hinwegzukommen, dass er auf der Highschool ein solcher Draufgänger gewesen und mit zwei Dritteln aller Mädchen ausgegangen war. Sie betrachtete ihren frischen Gipsverband und runzelte die Stirn. „Bist du sicher, dass du da unten alles hinbekommen hast? Es wird nicht schräg, oder?“
„Schräg?“ Er betrachtete sie mild. „Du bist Staatsanwältin. Du wirst nicht schräger sein als
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