BACCARA EXKLUSIV Band 45
Vorstellung war so lächerlich, dass sie unwillkürlich heiser lachen musste. „Der heilige Stan? Wie kommt denn das?“
„Durch meine übernatürlichen Heilungskräfte“, erklärte er mit unbeweglicher Miene. „Durch meine Integrität, meine engelsgleiche …“
„Moment mal.“ Jenna hob die Hand, um ihn zu stoppen. „Du hast nicht im Geringsten etwas Engelhaftes in dir.“
„Einige meiner Patienten haben von mir in spirituellen Begriffen gesprochen.“
„Wahrscheinlich beim Aufwachen aus der Narkose“, bemerkte sie trocken. „Oder als sie schon halb im Jenseits waren. Was für Spitznamen hast du noch?“
Auf Stans Gesicht erschien ein umwerfendes Lächeln. „Dr. S&M, aber nur wegen meiner Initialen.“
Stan nahm sich ein Bier und beobachtete von seinem Apartmentfenster aus den Jungen auf dem Basketballfeld. Er war jeden Abend bis in die Nacht hinein dort. Stan fragte sich, wo seine Eltern waren.
Er seufzte und trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe. Die letzten zwei Tage waren interessant gewesen. Wer hätte gedacht, dass er jemals Jenna Jean „das Messer“ Anderson behandeln würde? Sie war schon immer scharf gewesen, und vermutlich konnte sie einen Angeklagten in der Luft zerreißen, wenn sie wollte.
Und sie war schon immer eine faszinierende Persönlichkeit. Zu stark und klug für die meisten gleichaltrigen Jungen. Daher hatte sie wenig Zeit auf ihr Liebesleben verwendet und sich stattdessen auf ihre Studien und ihre engsten Freundinnen konzentriert. Sie war eindeutig eine Frau, die den Regeln folgte.
Stan kannte Frauen dieser Art gut, denn er hatte seinen Teil davon gehabt. Doch was das Befolgen der Regeln anbetraf, unterschied er sich von solchen Leuten. Er zog es vor, seine eigenen Regeln aufzustellen. Dennoch hatte Jenna etwas erreicht, was ihm vorenthalten geblieben war. Sie war mit ihren Freundinnen zusammengeblieben und hatte sich ein Zuhause geschaffen. Darum beneidete er sie, denn er fühlte sich wurzellos. Nach seiner Zeit als Arzt im Praktikum im West Coast Medical Center und als Assistenzarzt in Florida war er nach Roanoke zurückgekehrt, um etwas Beständigkeit in sein Leben zu bringen. Er war seit Jahren nicht mehr zu Hause gewesen, und obwohl es ihn absolut erstaunte, hatte er es vermisst.
Als er fortgegangen war, hatte er geglaubt, er würde nie zurückkehren. Er hatte Roanoke immer für zu langsam gehalten. Anfangs hatten ihm das schnellere Tempo der Großstädte, die Unterschiedlichkeit der Menschen und Häuser gefallen. Doch irgendwann waren ihm Los Angeles und später auch Miami zu hektisch geworden. Und als sein bester Freund vor neun Monaten gestorben war, hatte der Schock Stan dazu gezwungen, die letzten zehn Jahre seines Lebens Revue passieren zu lassen.
Was hatte er außer seinem Beruf und gelegentlichem Amüsement in dieser Zeit vorzuweisen? Ihm wurde klar, dass seine Freunde eher Bekannte waren, und die Frauen waren wie durch eine Drehtür in sein Leben gekommen und wieder gegangen.
Aber er wollte mehr. Er wünschte sich all das, was er stets für trügerisch und unnötig gehalten, was er zutiefst langweilig gefunden hatte. Ein eigenes Heim, gute Freunde, eine Frau, etwas, das seinem Leben Sinn gab. Zwar war er sich nicht ganz sicher, wie er das bekommen sollte, aber er wusste, dass er dafür sein Leben ändern musste.
2. KAPITEL
Eine Woche später beobachtete Jenna entsetzt, wie Stan ihren Gips aufsägte. Ihr Knöchel war geschwollen und verfärbt von der Verletzung. Sie verspürte das Bedürfnis, ihr Bein zuzudecken. „Warum wechselst du den Gips so früh?“
„Um die Fäden zu ziehen und die Wunde zu untersuchen“, erläuterte er und untersuchte die Nähte. „Das sieht gut aus. Du hast doch deine Antibiotika genommen, oder?“
Sie nickte und runzelte die Stirn. „Es sieht überhaupt nicht mehr wie mein Bein aus.“
Stan lachte. „Es ist nur ein wenig geschwollen. Das war zu erwarten. Mary wird es waschen. Ich ziehe die Fäden, und dann legen wir dir einen neuen Gips an.“
Mary, die Arzthelferin, wusch lächelnd Jennas Bein. Die sanfte Berührung half Jenna, sich zu entspannen. Seit Stan den Raum betreten hatte, war sie nervös gewesen. Er war offenkundig kompetent und gründlich, doch war sie sich seiner in anderer Hinsicht allzu bewusst gewesen, von dem Jungen, den sie in ihrer Kindheit gekannt hatte bis zu dem Mann, der er heute war. Sie versuchte, sich ganz auf den Arzt in Dr. Michaels zu konzentrieren. „Werde ich den neuen Gips bis
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