BACCARA EXKLUSIV Band 61
Henderson“, sagte Alisa bei ihrem Eintritt und hätte vor Freude weinen können, dass sie sich so spontan an den Namen der Frau erinnerte.
Gladys Henderson sah von ihrem Schreibtisch auf und stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Sie kam mit einer für ihren Körperumfang erstaunlichen Geschwindigkeit um den Tisch herum und umarmte Alisa herzlich. „Was für ein Anblick für meine müden Augen! Wir haben uns solche Sorgen um Sie gemacht. Ich habe Sie in der ersten Woche im Krankenhaus besucht, aber Sie waren da noch nicht bei Besinnung.“ Sie hob Alisas Arme hoch und musterte sie von oben bis unten. „Sie sehen wundervoll aus. Was macht Ihr Kopf, Schätzchen?“
Alisa lachte über die Freundlichkeit und Unverblümtheit der Frau. „Ich habe Gedächtnislücken, aber ich kann lesen, und ich weiß auch noch, dass Robbie und ich an ‚Die Chroniken von Narnia‘ von C.S. Lewis gearbeitet haben.“
Mrs. Henderson lächelte. „Dann geht es Ihnen schon wieder gut. Er hat Sie schrecklich vermisst. Mal sehen, ob ich ihn finden kann“, sagte sie und griff nach dem Telefon. Sie rief den Heimleiter an und bat ihn, Robbie ins Büro zu schicken. Alisa plauderte mit Mrs. Henderson, während sie warteten.
Robbie, ein dünner Zehnjähriger, der allerdings viel jünger aussah, kam mit erwartungsvoller Miene ins Büro. Sobald er Alisa erblickte, lächelte er übers ganze Gesicht und zeigte eine Zahnlücke.
„Robbie!“, rief sie und umarmte ihn. „Dir fehlt ja ein Zahn.“
„Er ist endlich ausgefallen“, berichtete er. „Zwei Jahre später als bei allen anderen. Was macht dein Kopf? Sie haben mir erzählt, du hättest ihn dir schwer verletzt.“
Alisa nickte. „Das stimmt auch, aber inzwischen geht es mir schon viel besser. Wie viel hast du gelesen?“
Robbie schob die Hände in die Hosentaschen und trat von einem Fuß auf den anderen. „Ich habe ein ganzes Kapitel gelesen, aber es war schwer.“
Alisa lächelte. „Möchtest du, dass wir wieder zusammen lesen?“
Er strahlte. „Oh ja. Mit dir macht es viel mehr Spaß.“
„Also dann bis nächste Woche, Mittwoch um drei Uhr.“ Das war der übliche Termin.
Er hob den Daumen und nickte. „Ich bin froh, dass es dir wieder gut geht.“
„Ich auch“, sagte sie. Plötzlich hatte das Leben wieder ein kleines bisschen mehr Sinn.
Dylan zählte bis zehn, dann bis zwanzig und schließlich bis hundert, als er Alisa zur verabredeten Zeit in ihrem Apartment abholen wollte und sie ihm nicht die Tür öffnete. Es gibt keinen Grund, die Polizei zu benachrichtigen, sagte er sich, während er dann wartend in seinem Auto saß, obwohl ihm der Schweiß ausbrach.
Er bezweifelte, ob er jemals den Anruf aus dem Krankenhaus würde vergessen können. Man war nicht sicher gewesen, ob sie durchkäme, und auch wenn Alisa ihn damals nicht ausstehen konnte, vermochte er sich eine Welt ohne sie nicht vorzustellen. Er hatte nie viel vom Beten gehalten, doch damals hatte er sich darin versucht und auf ein Wunder gehofft.
Er schaute erneut auf die Uhr und überlegte, wohin sie gegangen sein könnte. Dann kam ein Taxi um die Ecke, und er atmete erleichtert auf, als er Alisa aussteigen und ihm zuwinken sah. Er umklammerte mehrmals das Lenkrad, um seine Anspannung zu lösen, dann stieg er aus.
„Du bist schon da?“, rief sie und lief auf ihn zu. Ihr Gesicht strahlte eine solche Freude aus, dass er es nicht übers Herz brachte, sie auf ihre Verspätung aufmerksam zu machen. „Ich erinnere mich wieder“, verkündete sie und umarmte ihn.
Dylan war verwirrt. Einerseits freute er sich für sie, andererseits beschlich ihn eine böse Vorahnung. Ganz automatisch schloss er sie in die Arme. Sie konnte sich unmöglich an alles erinnern. Oder doch?
„Ich erinnere mich an Mrs. Henderson im Granger-Heim und an Robbie, den kleinen Jungen, dem ich beim Lesen geholfen habe. Und ich erinnere mich an den ganzen Granger-Campus.“ Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. „Ich habe mich an Mrs. Hendersons Namen erinnert, noch bevor ihn mir jemand nannte, und ich erinnerte mich sogar an den Titel des Buches, das Robbie und ich zusammen lesen.“
Ihre Freude wirkte ansteckend. Immerhin hatte er ihren Kampf um ihr Gedächtnis von Anfang an mit verfolgt. „Was willst du jetzt machen?“
„Ich will Schokoladenkekse backen“, eröffnete sie ihm. „Nach dem Rezept meiner Mutter“, fügte sie entschlossen hinzu. „Und ich will herausfinden, ob ich es aus dem Gedächtnis kann.“
Sein Herz zog
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