BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
nahm er Lucy den Besen ab und begann zu fegen.
Lucy ging seine Bemerkung nicht aus dem Sinn. Alles oder nichts. Warum musste das so sein? Es war doch möglich, zwei Stücken Kuchen zu essen, oder? Es musste nicht der ganze Kuchen oder gar keiner sein.
Sie machte sich auf den Weg zum Haus hinüber, bevor sie der Mut verließ. Sie würde zu Ethan gehen und ihm sagen, dass sie ihn liebte. Sie würde sich den Tatsachen stellen, statt vor ihnen davonzulaufen. So war das Leben. Es gab kein idyllisches Familienleben, keine liebenden, nachsichtigen Eltern. Nur sie und ihre große Liebe zu Summerhill und zu Ethan Rae.
Ethan nahm zwei Treppenstufen auf einmal, angetrieben von Wut, Demütigung – und Erleichterung. In seinem Zimmer warf er seine Reisetasche aufs Bett und begann zu packen. Erleichterung? Weil im Moment keine Wahl zu treffen war. Alles war wieder wie immer.
Der Gedanke an Toms Worte machte ihn erneut wütend.
Er und Magnus hatten eine halbe Stunde im Konferenzraum gesessen, als Tom hereingeplatzt war. Magnus größte Sorge war die Sicherheit – seine Frau hatte durchblicken lassen, dass Tom den Wetterbericht vom Nachmittag ignoriert hatte.
„Auf das Wetter hat man keinen Einfluss“, hatte Tom mit giftigem Blick auf Ethan erwidert. Offenbar dachte er, Lucy habe geplaudert.
Armer Trottel. Er stand mit dem Rücken an der Wand. Ahnungslos begann Magnus ein Gespräch mit ihm, eines kam zum anderen, bis Tom scheinbar keinen anderen Ausweg mehr sah, als Lucy die Schuld an allem zu geben.
„Manchmal wendet sich eben das Glück, Magnus“, schmeichelte Tom. „Es geht immer auf und ab. Sie sind Geschäftsmann. Sie kennen das.“
„Das reicht nicht, mein Sohn. Ein Großteil Ihres Erfolgs beruht auf der Sicherheit Ihrer Gäste.“ Magnus hielt inne und trieb dann den zweiten Nagel in Lucys Sarg. „Wenn Lucy sich nicht an diese Hütte erinnert hätte, wären wir wohl noch immer da draußen.“
Während Ethan Stück für Stück seine Sachen einpackte, hörte er die Tür gehen. Er bedachte Lucy mit einem eiskalten Blick und zwang sich, im Geiste seine Checkliste abzuhaken. Hemden, Unterwäsche, Toilettenartikel – er war fast fertig.
Aus dem Augenwinkel sah er Lucy neben der Tür stehen. Sie sah erhitzt aus und ein wenig aufgelöst.
„Was machst du da?“, fragte sie leise.
Er zog den Reißverschluss seiner Tasche zu. Lucy zuckte zusammen, als die Tasche unsanft auf dem Boden landete. Ethan gab weiter vor sie zu ignorieren und ging zum Tisch, um sich um seinen Laptop und seine Aktentasche zu kümmern.
„Du hast mich wirklich drangekriegt“, murmelte er nach einer Weile.
„Was meinst du damit?“
„Du hättest deinen Komplizen sorgfältiger auswählen sollen.“ Bitterkeit schnürte ihm fast die Kehle zu. Im Geiste sah er Toms höhnische Miene vor sich. „Dein Bruder hat es für dich vermasselt.“
Ohne Lucy anzuschauen, spürte Ethan, dass sie einen heftigen Schrecken bekam. Nicht sein Problem. Er schloss seine Aktenmappe. „Wenn er nur Geduld gehabt hätte. Aber Tom konnte es nicht lassen. Er platzte herein und schimpfte und zeterte, dass er es gleich gewusst habe, dass wir ihn ausbooten wollten. Dass Magnus durch unser Bettgeflüster ja wohl über die gerichtliche Verfügung Bescheid wisse, über seine Spielsucht, die Schulden, seine zwielichtigen Partner.“ Grimmig lächelnd sah er auf seine Uhr. „Komisch war nur, dass ich Magnus von all dem gar nichts gesagt hatte.“
Ehe Tom sie gestört hatte, hatte Ethan erreicht, dass Magnus die Entscheidung über Summerhills Verbleib in der Global List aufschieben wollte. Er hatte auch erwähnt, dass Lucy ein paar gute Ideen hatte, die eine Chance verdienten. Um Tom zu beruhigen, schlug Magnus vor, dass er sich ein Beispiel an seiner Schwester nehmen solle.
Das wirkte wie ein rotes Tuch für einen Stier.
Magnus war auf Toms Beleidigungen nicht gefasst gewesen. Zum Schluss warf Tom ihm noch an den Kopf, dass er sich seinen kostbaren Club an den Hut stecken könne und Summerhill ohne ihn auskommen würde. Magnus war hinausgegangen und hatte seine Frau aufgefordert, ihre Sachen zu packen.
Ethan stellte Aktenmappe und Laptop auf seine Reisetasche und griff nach seiner Jacke. Lucy verharrte reglos. Sie war kreidebleich, in ihren schönen Augen lag ein gequälter Ausdruck. Ihre perfekten Lippen waren leicht geöffnet.
Hastig wandte Ethan den Blick ab und zog sein Sakko an. Vielleicht war er nicht ganz so kalt, so mitleidlos, wie sein Sinn für
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