BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
Gerechtigkeit es verlangt hätte. Der Anblick ihrer zitternden Lippen würde ihn später nur verfolgen.
„Und dann hat Tom mir von deinem sorgfältig geschmiedeten Plan erzählt. Wie du zugestimmt hast, alles für Summerhill zu tun, sogar dich zu verkaufen, um dir einen reichen Ehemann zu angeln.“
„Was?“ Ihre Stimme klang matt. „Niemals.“
Ethan trat ans Fenster. Das frische Grün der Wiesen wirkte beruhigend, doch es ließ ihn nicht Toms gehässige Miene vergessen, als der ihm die Wahrheit praktisch ins Gesicht spuckte. Seine Schwester mochte ja nicht viel auf dem Kasten haben, hatte er gesagt, aber sie sei talentiert wie ihre nichtsnutzige Mutter, wenn es darum ginge, Männer zu umgarnen – und er, Ethan, war sehr gekonnt umgarnt worden.
Glauben Sie, Sie waren der Erste, hatte Tom gespottet. Im Gegensatz zu den anderen waren Sie nur reich und ungebunden und etwa dreißig Jahre jünger als ihre üblichen Liebhaber. Fragen Sie sie, warum sie nach Hause gekommen ist.
„Du hast ihm gesagt, du würdest mich verführen“, murmelte Ethan, „um mich für dich einzunehmen – und damit Magnus. Ich wäre dein Ticket, um deine Farm zu retten.“
„Nein.“
Ethan sah sie finster an.
Lautlos bewegte Lucy die Lippen. Dann schien ihr etwas zu dämmern. Sie wirkte schuldbewusst, und sein Herz sank noch tiefer, er biss die Zähne noch fester zusammen.
„Es war ein Witz“, flüsterte sie. „Am Abend, als wir uns kennengelernt haben. Ich alberte mit Tom herum.“
„Sehr komisch.“ Er nahm sein Gepäck auf. Zum Teufel mit diesen zitternden Lippen. Er musste weg von hier. Er hatte ein Geschäft abzuschließen. Er hätte es besser wissen müssen, hätte niemals Emotionen ins Spiel bringen dürfen, während noch Arbeit auf ihn wartete.
Plötzlich sah er seinen Vater vor sich, wie er wohlwollend eine junge, vollbusige Blondine anlächelte. Diese letzte hatte es zwei oder drei Jahre ausgehalten, aber am Ende hatte auch sie seinen Vater übers Ohr gehauen.
Fragen Sie sie, warum sie nach Hause gekommen ist …
Lucy stand wie versteinert da.
Ethan sah sie böse an. „Warum bist du nach Hause gekommen, Lucy?“
Sie hob die Schultern. Sein Ton überraschte sie, dabei hatte sie seine Stimme bisher so gemocht. Tief und samtweich. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten. Er klang so barsch, so beißend kalt. War das der Mann, dem sie ihre Liebe hatte gestehen wollen?
„Der Schlaganfall.“ Ihre Stimme zitterte, und sie riss sich zusammen. „Dads Schlaganfall.“
Einen Moment lang starrte Ethan sie an. „War der Grund nicht, dass Tom dir die Gelder gestrichen hat?“
Lucy holte tief Atem, wollte etwas sagen, doch er fiel ihr ins Wort. Seine Verachtung war nicht zu überhören.
„Offensichtlich hast du deine Erwartungen ja ziemlich heruntergeschraubt. Ich bin zwar reich, aber kaum in der Liga der Männer, die du hier verführst. Und du würdest eine Weile warten müssen, bis du mich beerbst.“
Lucy schüttelte nur unglücklich den Kopf. Ihr war bewusst, dass sie sich rechtfertigen sollte, aber ihre Worte wären doch nur an dieser mitleidlosen Miene abgeprallt. Hatte sie jemals etwas gesagt oder getan, was bei irgendjemandem etwas geändert hätte?
„Ich hatte mich von Anfang an gefragt, ob du eine gewöhnliche Goldgräberin bist, auf der Suche nach einem reichen Freier. In deiner Lage wäre das nicht erstaunlich, und du warst mit deinen charmanten kleinen Bemerkungen, einen reichen Ehemann zu wollen, ja ganz offen.“
„Ethan, wenn du das wirklich glaubst …“
„Ich dachte, du wärst anders. Dachte, ich könnte Menschen gut einschätzen – aber da habe ich mich wohl getäuscht.“
Er nahm sein Gepäck auf. „Ich verabscheue Frauen wie dich. Das muss dir von Anfang an klar gewesen sein.“
Lucy atmete tief durch. „Dann geh.“ Wieder zuckte sie kläglich mit den Schultern. „Das ist das Einfachste.“
Ethan machte eine Kopfbewegung Richtung Tisch. „Mein Scheck für die Übernachtungen.“ Dann trat er an Lucy vorbei und ging.
Ohne sich zu rühren starrte Lucy zum Tisch hinüber, erstaunt, dass sie keinen Schmerz verspürte, nur ein Gefühl der Enge in der Brust, das ihr bestens vertraut war. Automatisch trat sie an den Tisch. Da lag der Scheck, einfach so, herzlos.
Auch das kannte sie nur zu gut. Immer gab es einen Scheck. Damit fühlte man sich zwar nicht besser, doch er ließ einen verstummen, bis das nächste Mal etwas vorfiel, worüber jemand sich aufregte. Bis jemand
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