Baccara Exklusiv Band 99
Und ich habe ja auch keine Familie, mit der ich dieses Fest feiern kann. Im Radio höre ich zwar die festliche Musik und die Chöre, aber das entlockt mir nicht einmal ein Lächeln. Allerdings gibt es ein Lied, welches mir immer wieder in Erinnerung kommt. Das ist ‚Stille Nacht‘.“
Kyle nickte. „Ich liebe dieses Lied auch sehr.“
„Das Lied hat für mich auch eine besondere Bedeutung. Jedes Weihnachten, das ich bis heute erlebt habe, war ein stilles und einsames Weihnachten, und es waren stille Nächte.“ Sie hielt jetzt mühsam die Tränen zurück, die schon an ihren Wimpern hingen.
Kyle hatte ihr helfen wollen, aber alles nur noch schlimmer gemacht. Er überlegte. Es tat ihm selbst sehr weh. Nur der Himmel wusste, was er jetzt bei ihr angerichtet hatte.
Aber dann gewann sie ihre Kraft zurück und schoss einen giftigen Pfeil gegen ihn ab. „Aber ich habe jedenfalls so viel Mut, mich meinen Ängsten zu stellen, anstatt vor ihnen zu flüchten.“
„Wirklich, Meghan, glaubst du das?“, fragte er sie mit samtener Stimme. „Warum verleugnest du das Fest?“
Sie blinzelte ihn an. Ihr Schmerz kam wieder hoch und gleichzeitig die Wut. Welches Recht hatte dieser Mann zu versuchen, ihr Leben zu ändern? Schließlich konnten Erinnerungen nicht einfach ausgelöscht werden.
Aber ihre Ehrlichkeit ließ nicht zu, dass sie wieder zurückschlug. Sie kaute nachdenklich an der Unterlippe. „Du hast recht“, gab sie leise zu. „Meine Worte tun mir leid.“
„Ich glaube, ich habe deinen Zorn verdient“, antwortete Kyle.
„Nein, das hast du nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. Sie ging zu ihm hin, stellte sich auf Zehenspitzen und berührte leicht seine Wange. „Ich weiß nicht, was das ist. In deiner Nähe gerate ich völlig außer mir. Dabei bin ich meistens sehr ruhig.“
„Meistens?“ Er zog die Augenbrauen fragend hoch.
„Meistens bin ich auch nicht unhöflich.“
„Meistens?“, neckte Kyle sie.
„Aber seit du hier bist, kann ich nicht mehr logisch denken, und ich habe Gefühle, die ich nicht haben sollte.“
Er hob ihr Kinn leicht an. „Wer sagt, dass du diese Gefühle nicht haben sollst?“
„Ich selbst und mein Sinn für Realität.“
„Meghan, was fühlst du jetzt?“ Kyle hoffte, die Mauer, die sie um sich aufbaute, noch einzureißen. „Leidenschaft“, bekannte sie ehrlich.
Ihre aufrichtige unverblümte Antwort verschlug ihm die Sprache, und für einen Moment blieb ihm die Luft weg.
„Dieses Gefühl … ich habe keine Kontrolle darüber“, fuhr Meghan nachdenklich fort.
„Und das kannst du nicht aushalten?“
„Nein, das will ich nicht.“ Sie drehte sich von ihm weg, ging zum Tisch und nahm einen Schluck Wein. Dann beobachtete sie ihn über den Rand des Glases.
Kyle spürte, dass er geduldig sein musste. Offensichtlich wollte sie ihm ausweichen. Das hieß, dass er einen tieferen Eindruck auf Meghan gemacht hatte, als sie sich eingestehen wollte. Du lieber Himmel, auch ihm ging es ja ganz ähnlich. Auch er wollte sich nicht eingestehen, was er fühlte.
Sie trank noch einen kleinen Schluck Wein. Kyle wartete ab und überlegte, ob sie das Gespräch nur hinauszögern wollte. Er wollte jedenfalls nicht als Erster reden und die Stille unterbrechen.
Sie brauchte Zeit. Vielleicht war sie jetzt bereit, mehr von sich mitzuteilen. Über Schmerzen zu sprechen, die sie jahrelang begraben hatte. Er würde seine Bedürfnisse zurückstellen.
„Liebe und Leidenschaft sind etwas Unbegreifliches.“ Sie hatte sich an den Tisch gesetzt und drehte das Glas zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Eine Kerze flackerte in ihrer Nähe und warf weiches goldenes Licht auf ihr Haar.
Kyle wünschte sich, er könnte ihr übers Haar streichen, es unter seiner Hand spüren und es durch seine Finger gleiten lassen. Ihr Gesicht lag im Schatten. Er wollte sie so gern verstehen und ihr die schmerzhaften Geheimnisse entlocken. Aber wenn sie sich so weit öffnen würde, wäre sie auch sehr verletzbar. Er würde dann ihre tiefsten Wunden kennen. Das traf auch für ihn zu – wenn er sich ihr ehrlich mitteilte.
„Ich habe Jack sehr geliebt“, fuhr sie fort. Er konnte kaum hören, was sie sagte, so leise sprach sie. „Aber das Gefühl wurde immer weniger.“
Kyle wusste, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, sie in die Arme zu schließen. So bezwang er sich und hielt Distanz.
„Und eines Tages“, ergänzte Meghan, „war von meinem Gefühl gar nichts mehr übrig geblieben. Aber das
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