Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
Is to Love Him
Das Jahrhundertwerk
D ie beiden Nicks« waren raus aus dem Geschäft, und das ahnten sie. Indem sie Amy in die Entzugsklinik hatten einweisen wollen und Druck auf sie ausgeübt hatten (wenn auch nur, um sie in ein möglichst drogenfreies Leben zurückzuholen), hatten sie ihr Vertrauen für immer verloren. Als sie noch am selben Tag aus der Klinik nach London zurückkehrte, rief sie kurz bei »Brilliant 19« an und teilte ihnen mit, dass sie »mit dem Thema durch sei«.
Im zweiten Halbjahr 2005 sah und hörte man wenig von ihr und wenn sie doch irgendwo auftauchte, dann wurde mit einer gewissen Erleichterung registriert, dass sie sich offenbar einigermaßen gefangen hatte. Es gab zu dem Zeitpunkt auch eigentlich keinen Grund, der ihre Anwesenheit notwendig gemacht hätte – zumindest nicht in TV-Shows oder auf Konzertbühnen. In der Boulevard-Presse war das Thema Blake durch, das Thema Bulimie und Anorexie irgendwie auch und das Thema Sucht ebenfalls. Es hieß lediglich, sie würde versuchen, harte Drogen zu vermeiden und »eine Art Entzug mit Weißwein machen«. Zwei Liter Chablis für ein Gramm Heroin, vielleicht etwas mehr oder etwas weniger.
Die einzige Frage, die man sich in der Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt tatsächlich stellte, lautete: Wann
erscheint eigentlich das nächste Album von Amy Winehouse? Wahrscheinlich war es auch Amy damals bereits bewusst, dass demnächst unweigerlich eine andere Frage gestellt würde: Was macht eigentlich Amy Winehouse? Und irgendwann: Amy, who?
Ihre engen Freunde, selbst diejenigen, die sie nie fallen gelassen hatten, konnten später aus dieser Phase ihres Lebens nur wenig berichten. Juliette Ashby und Kristian Marr blieben draußen vor der Tür, ebenso »die beiden Nicks«, die immer gedacht hatte, sie wären mehr als bloß ihre Manager und Aufpasser. Amy hatte sich trotz (oder gerade wegen) der notwendigen Konzentration auf ihre Arbeit in dieser Zeit wohl vor allem in den Schoß ihrer Familie zurückgezogen. In das Leben, das ihr mehr bedeutete, als das Leben eines erfolgreichen Popstars. Darüber hinaus war bei ihrer Großmutter Cynthia inzwischen ein Bronchialkarzinom diagnostiziert worden. Ausgerechnet in jenen Tagen, in denen Amy sich sicherlich in der kreativsten Phase ihres Lebens befand.
Nick Godwyn machte sich damals langsam Sorgen, ob sie je wieder ins Scheinwerferlicht zurückkehren würde, und wenn, dann vielleicht nicht mehr unter seiner Aegide.
»Ich verlor den Kontakt zu Amy«, erzählte er, »doch Anfang des Jahres 2006 trafen wir uns dann doch. Sie war sehr ruhig, sehr freundlich. Ich glaube, ihr war das Gespräch unangenehm. Sie sagte, sie wolle einen neuen Manager. Ich habe es ihr leichtgemacht. Ich habe verstanden, warum sie einen Wechsel wollte. Zwischen 16 und 21 verändert sich ein Mensch enorm, und ich war nicht auf mehr auf ihrer Wellenlänge – wahrscheinlich war ich
sogar nie mit ihr auf einer Wellenlänge gewesen. Ich war ja ›Big Nick‹ und so viel älter und wahrscheinlich auch zu empfindlich. Also sagte ich ihr: ›Ich glaube nicht, dass du einen neuen Manager brauchst. Was du brauchst ist eine neue Platte. Du hast fantastische Verträge.‹ Und dann sagte ich ihr noch zum Abschied: ›Schick mir die Platte, wenn du fertig bist. Ich würde sie gerne hören, denn ich bin ein Fan von dir.‹ Ich war auch einfach zu müde, um mich weiter um sie zu kümmern – und irgendwie war ich am Ende auch erleichtert.«
Zu dem Zeitpunkt stand Amys neuer Manager bereits in der Startlöchern. Island Records hatte das Ruder übernommen und mit Raye Cosbert einen erfahrenen, extrem ruhigen, zielgerichteten Profi in den Ring geworfen. Er hatte bereits mit einigen Größen und den ganz Großen des Gewerbes gearbeitet – mit Robbie Williams, Blur, Björk, Massive Attack und Lily Allen – und man traute ihm daher zu, sich von einem 1,59 Meter großen Wirbelwind nicht umpusten zu lassen. Amy kannte ihn bereits, denn Cosbert war im Jahre 2003 bereits ihr Konzert-Promoter gewesen. Er war Anfang 40, groß, breitschultrig, massig und schwarz, und er trug eine halblange Rasta-Frisur. Das Wichtigste war jedoch, dass man ihm sofort ansehen konnte, wie er über etwas dachte. Dazu musste er nicht einmal den Mund aufmachen. Cosberts Mimik reichte hierfür vollkommen aus. Die Bandbreite reichte von »Killer« über »furchterregend« bis hin zu »gut gemacht« und »eitel Sonnenschein«. Amy würde jedenfalls immer genau wissen, woran
Weitere Kostenlose Bücher