Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
Beese, dem Island-Records-Boss, und den Medienvertretern, vor allem den Fotografen. Sie alle sahen und hörten, was zwischen Amy und Blake abging, im Backstage-Bereich, in den diversen Restaurants und in den Bars, auf den Flughäfen, in den Zimmern der Tourhotels und einmal auch mitten auf der Straße vor einem Luxushotel in London, als sie sich nach einem handfesten Streit, blutverschmiert, zerkratzt und zerbeult, anbrüllten und voreinander flüchteten, um sich dann doch wieder theatralisch in die Arme zu fallen.
»Ihre Streitereien erreichten ihren Höhepunkt, als Amy so richtig vom Heroin abhängig war«, erzählte Alex Foden. »Dann kriegte sie meistens einen Wutanfall, rannte durch die Wohnung und zertrümmerte dabei auch mal Möbel.«
Alle mussten dies gesehen und gehört und somit also gewusst haben. Auch Amys Eltern.
Im Internet, auf der deutschen Homepage von Universal, unter deren Dach Amys Label Island Records angesiedelt war, las sich das dann so:
»Auweia, bei Amy und Blake fliegen die Fetzen – und wie! Während es andere Paare beim Zertrümmern einer Kaffeetasse belassen, geht es beim neuen Chaos-Paar des Popbiz richtig zur Sache. Da wird geprügelt und sich an den Haaren gezogen bis Blut fließt. Bestens informiert sind mal wieder Englands Boulevardblätter, die in ihren heutigen Ausgaben Fotos von Amy und ihrem Mann veröffentlichen, auf denen die beiden ziemlich ramponiert aussehen: Blake hat das Gesicht zerkratzt und Bisswunden am Hals. Das zarte Soulgirl hat ein blaues Auge, aufgeschürfte Knie und kleine Schnittwunden.
Was war geschehen? Nach Augenzeugenberichten soll sich das Paar in einem Fünf-Sterne-Hotel in Soho in die Haare geraten sein, nachdem Amy nach einem Spaziergang mit einem ominösen Päckchen in der Tasche in die Lobby zurückkehrte. Ob sich in dem Päckchen Drogen befanden und ob es der Auslöser für die spätere Auseinandersetzung war, ist unklar. Auf alle Fälle stürzte Amy um 2:30 Uhr aus dem Hotel. Auf ihren Fersen: ein blutverschmierter Blake. In großer Panik hielt sie ein Auto an, um ihrem Mann zu entfliehen. Was dann geschah, weiß niemand so recht. Auf alle Fälle kehrte Amy um vier Uhr morgens ins Hotel zurück, wo sie ein besorgter Blake erwartete. Die beiden kehrten Arm in Arm in ihr Zimmer zurück.«
Dieser offizielle Pressetext der Plattenfirma, in dem eine sich anbahnende menschliche Tragödie im heiteren Ju-hu-Stil verwurstet wurde, machte deutlich, wie das unerbittliche System (noch) funktionierte: Amy musste nicht einmal angefeuert werden, um mit Blake eine öffentlichkeitswirksame Daily Soap zu inszenieren. Schließlich hatte ja die Welt angeblich ein Recht darauf zu erfahren, wie es mit den beiden weitergehen würde, oder ob überhaupt.
Universal – und damit auch Island Records – hatten schon früh damit begonnen, die exzentrischen Eigenarten ihrer Künstlerin vor den Werbekarren zu spannen: Bereits im Januar 2007, als in Berlin die offizielle Deutschland-Release-Party stattfand, stellte die Plattenfirma ein Computerspiel ins Internet, in dem man eine animierte Amy Winehouse mit Whisky abfüllen konnte. Je mehr Promille für Amy, desto mehr Punkte für die Spieler.
Es war zwar bloß ein Spiel, doch lässt es vermuten, dass Amys Alkoholproblem von Island Records zum Image-Paket gehörte, das den Ticketverkauf ankurbeln dürfte. Vielleicht schon von Anfang an, seit Amys Trennung von »Brilliant 19«. Doch beim Live-Gig in der Kalkscheune war Amy vollkommen nüchtern und lieferte ein 1-a-Konzert ab, »gut und on the spot . Viele, die Rabatz erwartet hatten, gingen enttäuscht nach Hause«, schrieb Joachim Hentschel von der deutschen Ausgabe des amerikanischen Musikmagazins »Rolling Stone« später.
Die vielen kleinen und größeren Skandale, die sich bis zu Blakes Verhaftung am 9. November 2007 ereigneten, waren eine gelungene, ja geradezu fantastische PR, die
sich ein Musikkonzern für seinen Star normalerweise nicht einmal erträumen würde. Hier passte einfach alles zusammen: Amy, ihre Platten und Blake, das war »Sex and Drugs and Rock and Roll« in Reinkultur. Und die Künstlerin hatte (trotzdem) sogar noch ihre ungeheuren Qualitäten bewiesen, hatte für ihr Ausnahmetalent Anerkennung in Form von bedeutenden Musikpreisen erhalten (und die richtige Preisflut sollte ja erst noch kommen) und stand zurecht on top einer Karriereleiter, die geradewegs nach oben führte.
Hinter den Kulissen hieß es daher wohl, das wilde Leben des Stars
Weitere Kostenlose Bücher