Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
»Saving Amy«-Dokumentation so:
»Wenn er in seiner üblichen Verfassung gewesen wäre, hätte er das gar nicht gekonnt (…). Diesmal aber war er wenigstens so geistesgegenwärtig, sie auf die Seite zu drehen, damit sie ihre Zunge nicht verschluckte, und so hat Blake ihr das Leben gerettet. Man kann natürlich einwenden, dass Amy durch ihn überhaupt erst an diesen Punkt gekommen ist, aber in diesem Fall hat er ihr wirklich das Leben gerettet. Die pure Ironie, oder?«
Ausgerechnet Blakes Eingreifen in buchstäblich letzter Sekunde rief (nun endlich) die Familien auf den Plan. Mitch und Janis trafen sich in Chelsea mit Blakes Mutter Georgette und ihrem zweiten Mann Giles zu einem Krisengespräch. Sie waren einerseits erleichtert, denn Amy konnte sich jetzt wenigstens nicht mehr so kräftig dagegen wehren, dass man sich ihrer annehmen musste: Die vorliegenden Tatsachen waren deutlich stärker als jede noch so clevere Ausrede. Sie war sichtlich abgemagert, geradezu dürr geworden und wog vielleicht gerade mal 45 Kilo.
Andererseits hatte es in der Vergangenheit mehrere gegenseitige Schuldzuweisungen gegeben, die von der Presse gepusht worden waren. Die Familien zogen nicht an einem Strang (und das würden sie auch in der Zukunft nicht tun), aber sie schlossen wenigstens einen Burgfrieden.
»Wir haben nicht gesagt, es sei Blakes Schuld, und sie haben nicht gesagt, es sei Amys Schuld. So lief das nicht. Wir haben nur versucht, die Wogen zu glätten«, sagte Mitch Winehouse.
Die Familien kamen überein, dass Amy eine Auszeit nehmen sollte, nur für sich, in einem abgeschiedenen schicken Hotel bei Fleet in Hampshire, Südengland. Mehrere Konzerte mussten abgesagt werden, doch sie wussten auch, dass für diesen Herbst und Winter in Amys Kalender sehr wichtige Termine vermerkt waren – es standen einige Auftritte bei Preisverleihungen auf ihrem Programm sowie eine Tournee in Skandinavien.
»Amy sollte vier oder fünf Tage in Fleet verbringen, mit ihren engsten Freunden«, erzählte Mitch in die Kamera. »Ich dachte, das würde ihr gefallen. Ich würde auch da sein, mich aber in nichts einmischen, nur sicherstellen, dass alles gut lief. Wir brauchten ja vor allem Ruhe, denn die Woche war für alle traumatisch gewesen. Am ersten Tag war Amy dort noch für sich, aber dann tauchte Blake auf. Ihre Freunde verschwanden, denn sie hatten keine Lust auf ihn. Sie wussten längst, welche ›Mission‹ er verfolgte, und sie hatten beschlossen, ihn dabei nicht zu unterstützen. Blake war also da, und die beiden kamen die ganze Zeit nicht mehr aus dem Zimmer.«
Ob es in diesen Wochen vor der Skandinavientournee auch bei Island Records und Amys Management zu Krisengesprächen kam, ist nicht bekannt. Aber spätestens nach Amys lebensgefährlichem Krampfanfall hätte dort jemand erkennen müssen, dass sie nun doch aus dem Ruder zu laufen drohte, aber das »Back to Black«-Album verkaufte sich nach wie vor in gigantischen Stückzahlen. Die
Zehn-Millionen-Grenze war bereits in Sicht – da verzeiht man seiner Künstlerin (fast) alles.
Die gesamte Musikbranche befand sich zu diesem Zeitpunkt längst in einem gewaltigen Umbruch, der mit dem unaufhörlich wachsenden Einfluss des Internets und seinen Kommunikationsmöglichkeiten einherging. Warum sollten die Fans sich teure CDs kaufen, wenn es die Songs kostenlos im Netz zum Downloaden gab. Diese Mentalität hatte (unter anderem) zur extremen Verteuerung der Konzert-Ticketpreise beigetragen. Und ein Ende dieser Entwicklung war nicht abzusehen. Es mussten schließlich neue Einnahmequellen erschlossen werden, denn die Musikindustrie – letztendlich die KünstlerInnen – wollten mit ihrer Arbeit schließlich Geld verdienen.
Zudem waren Konzerte schon immer wichtig gewesen, um die Bindung zwischen den Fans und ihren Idolen zu intensivieren, und es gab nur sehr wenige KünstlerInnen – wie etwa Kate Bush – zu deren Konzept es gehörte, sich möglichst rar zu machen und so gut wie überhaupt nicht live aufzutreten. Aber für das Gros der Künstler sollten Konzerte eben noch wichtiger werden: Die durch die sinkenden Plattenverkäufe verloren gegangenen Einnahmen (für die Spitzenposition in den Charts genügten mittlerweile nur 15 000 verkaufte Alben), wollte man vor allem durch Merchandising, Sponsoring und Umsatzbeteiligung am Getränkeverkauf kompensieren. In den Chefetagen hatte ein Umdenken stattgefunden: »Mehr Konzerte, größere Hallen« hieß es nun, am besten gleich mehrere
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