Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
behielten sie nur über Nacht da und entließen sie am folgenden Morgen.
Wahrscheinlich hatte sich Pete Doherty an jenem Abend von ihr getrennt. Es hieß, ihm wären Amys öffentliche Liebesbeteuerungen bezüglich ihres Ehemannes zu viel geworden.
Nach einer zweiwöchigen Pause trat Amy, wieder einigermaßen fit, am 16. und 17. August beim »V Festival« in Staffordshire und in Chelmsford auf. Doch das Auf-und-Ab ging weiter: Denn drei Wochen später, bei ihrem vorerst letzten geplanten Live-Auftritt für geraume Zeit am 6. September 2008 beim »Bestival« auf der Isle of Wight, sorgte Amy erneut für Negativschlagzeilen. Tim Jonze, Musikkritiker des »Guardian«, verriss gnadenlos ihren Auftritt, bei dem sie wieder erheblich verspätet die Bühne betreten hatte:
»Der erste Song (›Addicted‹ – glaube ich), war kaum erkennbar, weil Amy nur etwa 23 Prozent des Textes sang. Selbst als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte, fühlte sich der ganze Auftritt irgendwie verkehrt an. Diesmal hat sie die zunehmend dünner werdende Linie zwischen gebrochenem Genie und komplettem Chaos überschritten. Vielleicht wäre es nicht so schlecht gewesen, hätten wir nicht gerade eine Stunde zu Hot Chip getanzt, deren raviges Programm den Schlamm halbwegs bis Newport blies. Aber genau das hatten wir getan, und im Vergleich dazu waren ein paar halb gesungene Sam-Cooke- oder Zuton-Covers von einer Frau, die kaum aufrecht stehen konnte, nicht wirklich die Krönung des Abends.«
Amy nahm sich erneut eine Auszeit. Blake, so war zu hören, dachte derweil über eine Verlegung in ein Gefängnis im Norden Englands nach. Nach Sheffield, um seiner Familie in Leeds, seiner Mutter Georgette, näher zu sein. Angeblich war er im Londoner Knast in einige Schlägereien verwickelt gewesen. Außerdem soll er in seiner Zelle auch alle Fotos von Amy zerrissen und dabei immer wieder »Warum ich?« geschrien haben.
Die Öffentlichkeit – so dachte er wohl (und das nicht ganz zu Unrecht) – gönnte ihm alles Schlechte. Denn mit ihm hatte das ganze Malheur angefangen. Er hatte das Unglück über Amy gebracht, er hatte sie auf den Drogentrip geführt, von dem sie jetzt wohl nicht mehr runterkam, er war der Junkie, der Loser , der Sündenbock.
Doch seinen verzweifelten Ausruf könnte man auch in eine andere Richtung interpretieren: Blake hatte schließlich viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Und er stand zu diesem Zeitpunkt vermutlich am Anfang seines neuen
Weges. Er hatte wohl erkannt, dass er in der Falle saß. Blake schien zu kapieren, wie Amys unheilvolles System funktionierte. Und das dürfte eine schmerzhafte Erkenntnis gewesen sein.
»Wahrscheinlich«, sagte Alix Needham, »wollte Blake nur eins: möglichst große Distanz zwischen sich und Amy schaffen. Deshalb erst Sheffield, dann eine Therapie – und vielleicht ein neues Leben.«
Am 25. Oktober 2008 ließ ihre Gesundheit Amy schon wieder im Stich: Sie wurde mit Verdacht auf Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Das nährte die Sorge, es könnte sich womöglich doch um ein Emphysem handeln, aber schließlich stellte sich die fiebrige Erkrankung »nur« als eine schwere Bronchitis heraus. Dennoch wurde sie erst am 2. November wieder aus der Klinik entlassen.
Ende November 2008 war sie dann schon wieder drin. Mit den gleichen Symptomen. Die offizielle Version ihres Sprechers lautete, Amy hätte wegen einer heftigen Reaktion auf eine Medikamentenkombination, die ihr schon länger verschrieben worden wäre, behandelt werden müssen.
Amys Management geriet offenkundig langsam in Erklärungsnöte. Überhaupt sah die Bilanz des Jahres 2008 mickrig aus, von den gigantischen Verkaufszahlen ihres Albums »Back to Black« einmal abgesehen. Aber das, und die Musikpreise natürlich, war im Grunde das einzig Positive. Der James-Bond-Titelsong: abgesagt. Ein drittes Album: nicht abzusehen. Ihre Fähigkeiten als Headliner : nicht gegeben. Kurzauftritte: unsicher. Amys Gesundheitszustand: katastrophal. Ihre Drogen- und Alkoholsucht:
schwer zu beurteilen. Wobei sich die Anzeichen verdichtet hatten, dass sie inzwischen eine Substitutionstherapie begonnen hatte und zusätzlich Beruhigungsmittel einnahm – was im Zusammenwirken mit Alkohol jedoch lebensgefährliche Folgen haben könnte. Und wirklich niemand wollte damals, Ende des Jahres 2008, mehr an ihre Alkoholabstinenz glauben.
Wenn Amy noch einmal angreifen und ihr Leben in den Griff bekommen wollte, dann musste sie raus und frisch
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