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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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dass sehr viel mehr dahintersteckte, und so Sergej und die Welt wissen lassen, dass ein Prominenter wie Dr. Norman Lewis verrückt nach ihr war, Krankenschwester hin oder her?
    Rummmms! Der nächste Anschlag auf ihre Selbstsicherheit. Vielleicht machte sie sich ja Illusionen über diese ganze Geschichte … Sergej hatte mit keinem Wort sein Interesse an ihr zum Ausdruck gebracht, mit keinem gesprochenen Wort … Er hatte ihr nur auf eine gewisse Art in die Augen geschaut und heimlich seine Finger in ihre Handfläche gedrückt … Vielleicht war er immer so in Gegenwart von Frauen, ein chronischer Charmeur … Ja, aber so die Handfläche eines Mädchens zu drücken — das war so merkwürdig, dass es etwas bedeuten musste … und hatte er ihr nicht nur einmal auf diese gewisse Art in die Augen geschaut, sondern dreimal … und ihr Herz schlug und schlug und schlug unter ihrem Brustbein, es schlug so laut, dass — was, wenn Norman es hören konnte? Sie war schon paranoid … Sie durfte sich keinesfalls irgendwie anmerken lassen, dass sie sich auf den Abend freute. Immer wenn Norman das Dinner erwähnte, gab sie sich die größte Mühe, gleichgültig zu reagieren.
    Vor ihr auf dem Schreibtisch lag ein aufgeschlagenes Magazin aus dem Wartezimmer, in das sie aber kaum einen Blick warf, so versunken war sie in dieses Märchen — in dem ausschließlich der Freitagabend, Sergej Koroljow und Magdalena Otero existierten. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Norman aus seinem Allerheiligsten gekommen war und keine zwei Meter neben ihr stand.
    »Muss ja ein tolles Magazin sein«, sagte er.
    Magdalena schaute verlegen auf, als hätte man sie bei irgendetwas ertappt. »Nein«, sagte sie. »Ich hab bloß über was nachgedacht.« Sie öffnete schnell den Terminkalender und wechselte das Thema. »Dein nächster Termin ist in einer Viertelstunde, um elf, ein neuer Patient. Er heißt Stanley Roth, mehr weiß ich nicht.«
    »Der ist Händler bei so einem neuen Hedgefonds, der Optima heißt«, sagte Norman. Er lächelte. Er fand »Optima« amüsant. »Ich habe schon mit ihm telefoniert.«
    »Optima?«, sagte Magdalena. »Wie der Staubsauger?«
    »Ja«, sagte Norman glucksend. »Ein Haufen junger Burschen. Du wirst lachen, wenn ich dir Mr. Roths kleines Problem —« Er unterbrach seinen Gedankengang. »Was ist das eigentlich für ein Magazin?«
    »Es heißt —« Sie musste überlegen. »La Hom? … Loam?«
    Norman nahm das Heft vom Schreibtisch. »Lom«, sagte er und deutete auf den Namen unten auf der Seite, L’Homme. »Das ist Französisch. ›Der Mann.‹ Schau dir die an«, sagte er und hielt ihr die Seite hin. »Alle männlichen Models heutzutage sehen aus wie die beiden. Spindeldürr. Als litten sie unter schwerem Proteinmangel. Eingefallene Wangen, Sechs- oder Siebentagebart, trübseliger Hundeblick, als hätten sie gerade fünf harte aids verseuchte Jahre hinter sich, weil sie sich von den anderen Knastis zu oft haben vögeln lassen. Ich pack’s nicht. Weil solche Luschis für diese Klamotten modeln, sollen junge Männer das kaufen? Aber vielleicht ist ja heute dieser Aids -Schwuchtel-Look topmodeee ahh HHHH ock hock hock hock … Die sehen aus wie diese ausgezehrten jungen Männer, die Egon Schiele immer gemalt hat. So schwach und kränklich, dass man glaubt, diese Skelette müssten jeden Augenblick in sich zusammenfallen und den Geist aufgeben.«
    »Wer?«, fragte Magdalena. »Sheila?«
    »Das ist Deutsch«, sagte Norman. »S-c-h-i-e-l-e. Egon Schiele. Ein Österreicher.«
    »Und der ist berühmt?«, sagte Magdalena … mürrisch … Dieser ganze Kunstkrempel, den die americanos für so wichtig hielten …
    »Oh ja, sehr«, sagte Norman. »Nun ja, berühmt für Leute, die Ahnung von österreichischer Kunst im frühen zwanzigsten Jahrhundert haben, so wie ich. Ich halte mich wirklich —« Er unterbrach abrupt seinen Gedankengang, wandte den Blick ab und machte ein deprimiertes Gesicht. Er sah so traurig aus, wie Magdalena ihn noch nie gesehen hatte.
    »Ja«, sagte er. »Ich habe ›Ahnung‹ von österreichischer Kunst im frühen zwanzigsten Jahrhundert, stimmt. Ich habe ›Ahnung‹ von diesen Fünfundsiebzig-Dollar-Bildbänden, davon habe ich ›Ahnung‹. Gestoßen bin ich auf Schiele und Gustav Klimt, Richard Gerstl, Oskar Kokoschka, die ganze Truppe, vor etwa zwanzig Jahren. Auf einer Auktion hätte ich diesen fantastischen Schiele kaufen können, für fünfundzwanzigtausend. Aber da steckte ich noch in meinem

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