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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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zustechen zu können, und dich vielleicht so tötet ::::Zu viel davon steckt in mir selbst.:::: Sie setzten sich. Ghislaine saß auf dem Calvin-Stuhl, er an seinem Schreibtisch.
    Der Schreibtisch mit seiner Art-déco-Nierenform, dem Aufsatz, der Schreiboberfläche aus Haifischleder, den sich elegant verjüngenden Beinen, dem rund um die Kante verlaufenden Zahnschnitt aus Elfenbein und den vertikalen Elfenbeinintarsien, die das Makassar-Ebenholz durchzogen, stammte von einem Ruhlmann-Schüler und nicht vom großen Emile-Jacques Ruhlmann selbst. Aber er war trotzdem sehr teuer, jedenfalls nach Lantiers Auffassung. Desgleichen der sehr teure Schreibtischstuhl, in dessen sich verjüngende Beine Elfenbein eingearbeitet war … Alles sehr teuer … aber Lantier war immer noch in dieser schwindelerregenden Scheiß-drauf-Euphorie geschwebt, ein Haus für einen wahnwitzigen Preis gekauft zu haben, das er sich eigentlich nicht leisten konnte. Was spielte da der wahnwitzige Preis für seinen, des maître, eigenen Schreib tisch samt Stuhl noch für eine Rolle?
    Ghislaine saß in diesem Augenblick in perfekter Haltung auf diesem armseligen Stuhl … und doch war sie entspannt. Er schaute sie so sachlich an, wie es ihm möglich war. Er wollte sich nicht selbst täuschen. Er wollte nicht das Unmögliche von ihr verlangen … Sie hatte eine hübsche schlanke Figur und wunderbare Beine. Das war ihr wahrscheinlich schon selbst aufgefallen, denn sie trug nur selten Jeans oder irgendwelche anderen Hosen. Im Moment trug sie einen hellbraunen Rock — er hatte keine Ahnung, aus welchem Material — kurz, aber nicht katastrophal kurz … eine umwerfende langärmelige Seidenbluse — zumindest sah es für ihn nach Seide aus — ein paar Knöpfe offen, aber nicht zu viele … Ghislaine benutzte nie das Wort Bluse, aber für ihn war es eine Bluse. Aus dem offenen Kragen ragte ihr makellos schlanker Hals.
    Dann ihr Gesicht — da fiel es ihm schwer, sachlich zu bleiben. Er wollte sie als seine Tochter sehen.
    Er selbst — er konnte es nicht ausstehen, wenn Mädchen in Jeans in seine Kurse kamen. Sie sahen so gewöhnlich aus. Er hatte den Eindruck, dass die Hälfte der Mädchen nichts anderes besaß, um den Körper von der Hüfte abwärts zu bedecken. Dagegen konnte er nicht viel machen. Aber diese verdammten kindischen Baseballkappen, die die Jungen trugen — gegen diese infantile Mode ging er vor. Eines Tages sagte er zu Beginn der Stunde, »Mr. Ramirez, woher kriegt man so eine Kappe, wie Sie sie da tragen — ich meine, mit der richtigen Passform, dass man sie auch seitlich aufsetzen kann? … und Mr. Strudmire … Bei Ihrer klebt der Schirm ja direkt im Nacken, und vorne hat sie diesen kleinen Ausschnitt, damit wir alle ein bisschen was von Ihrer Stirn sehen können. Werden die massenweise so hergestellt, oder ist das eine Maßanfertigung?«
    Als Reaktion von Mr. Ramirez und Mr. Strudmire kam allerdings nur ein argwöhnisches Kichern, und vom Rest der Klasse, einschließlich der Mädchen, überhaupt nichts. Sie waren ironieresistent. In der nächsten Stunde hatten die beiden und viele andere immer noch diese Kindskopfkappen auf. Also sagte er, »Meine Damen und Herren, ab sofort ist das Tragen von Kappen und anderen Kopfbedeckungen in dieser Klasse untersagt, es sei denn, religiöse Glaubensvorschriften verlangen es. Habe ich mich klar ausgedrückt? Wer darauf be steht, in der Klasse eine Kappe zu tragen — nun, mit dem werde ich im Büro des Schulleiters vorstellig werden müssen.« Auch das kapierten sie nicht. Sie schauten sich nur an … verwirrt. Zu sich selbst sagte er: Schulleiter — kapiert? Das ist das, was es in Highschools gibt, nicht im College, und das hier ist ein College. Ihr seid ironieresistent, oder? Ihr seid Kinder! Was macht ihr hier? Schaut euch an … Es sind ja nicht nur die Baseballkappen, sondern auch die kurzen Hosen und die Flipflops und die weit über die Hüfte hängenden Hemden, in manchen Fällen sehr weit über die Hüfte. Ihr habt euch zurückentwickelt! Ihr seid wieder zehn Jahre alt! Na ja, wenigstens trugen sie seitdem in den Kursen keine Baseballkappen mehr. Vielleicht glaubten sie, dass es an der EGU wirklich einen Schulleiter gab … und diesen Grenzdebilen sollte er etwas beibringen …
    Nein, Ghislaine durfte er nichts von alledem erzählen. Sie wäre schockiert. Sie war noch nicht bereit für diesen … Snobismus. Sie war in dem Alter, einundzwanzig, in dem das Herz eines Mädchens randvoll ist

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