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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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mit Barmherzigkeit und Liebe für die kleinen Leute. Sie war noch zu jung und zu naiv, als dass man ihr hätte sagen können, ihr South-Beach-Outreach-Mitleid sei im Grunde nur ein Luxuszeitvertreib für Menschen wie sie. Das bedeutete, ihre Familie verfügte über genug Geld und Ansehen, um sich gute Taten leisten zu können. Nicht, dass er viel Geld verdiente als außerordentlicher Professor für Französisch an der EGU … Aber er war ein Intellektueller, ein Gelehrter … und ein Schriftsteller … zumindest hatte er es geschafft, vierundzwanzig Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften und ein Buch zu veröffentlichen. Das Buch und die Artikel verliehen ihm zumindest so viel Prestige, dass er Ghislaine auf eine gesellschaftliche Ebene gehievt hatte, auf der sie sich der sozialen Organisation South Beach Outreach anschließen konnte … Meine Tochter leistet Sozialarbeit für die Bedürftigen! … Jeder kannte South Beach Outreach. Sogar einige Promis wie Beth Carhart und Jenny Ringer engagierten sich dort.

Er schaute mit bekümmerter Miene über Ghislaines Schulter zum Fenster hinaus … ohne etwas Bestimmtes im Blick zu haben. Er war fast genauso hellhäutig wie sie. Was sie jetzt tat, in ihrer Stellung, hätte er auch tun können … aber man wusste, dass er Haitianer war. Nur deshalb hatte ihn die EGU eingestellt. Ihnen gefiel es, so »multikulturell« zu sein und einen Haitianer als Lehrer zu haben … mit einem Doktortitel von der Columbia … der Französisch unterrichten konnte … und Kreolisch. Oh ja, Kreolisch … sie waren ganz scharf darauf, einen Professor für Kreolisch an Bord zu haben … »die Sprache des Volkes« … wahrscheinlich sprachen 85 Prozent seiner Landsleute Kreolisch und nur Kreolisch. Der Rest sprach die offizielle Landessprache, Französisch, und ein ziemlich großer Teil der glücklichen 15 Prozent sprach einen Mischmasch aus beidem, Kreolisch und Französisch. Er hatte es zur Regel gemacht, dass in seinem Haus nur Französisch gesprochen wurde. Ghislaine war das zur zweiten Natur geworden. Ihr Bruder Philippe jedoch, obwohl erst fünfzehn, war schon kontaminiert. Solange das Thema nicht mehr als das Wissen eines durchschnittlichen Elf- oder Zwölfjährigen erforderte, sprach er ziemlich anständig Französisch. Bei allem, was darüber hinausging, lavierte er sich mit etwas durch, das kaum über das Niveau des Schwarzen Englischs hinausreichte, nämlich mit Kreolisch. Wie hatte er das überhaupt gelernt? Sicher nicht in diesem Haus … Kreolisch war eine Sprache für Wilde! Da gab es nicht den geringsten Zweifel! Verben ohne Konjugation. Kein »ich gebe, ich gab, ich habe gegeben, ich hatte gegeben, ich werde geben, ich sollte geben, ich hätte geben sollen«. Auf Kreolisch hieß das m ba, und damit hatte es sich … »ich gebe, ich gebe, ich gebe …« Zeit- und Konditionalformen musste man sich aus dem Zusammenhang erschließen. Diese dumme Sprache zu lehren war für jede Universität entweder das, was Veblen eine »offenkundige Verschwendung« nannte, oder eine der endlosen Travestien, die der Doktrin der politischen Korrektheit entsprungen waren. Das war, als würde man Kurse einrichten und Lehrpersonal einstellen, um die Mischform der in den Bergen von Guatemala gesprochenen Maya-Sprache zu unterrichten —
    All das schoss Lantier binnen Sekunden durch den Kopf.
    Jetzt schaute er Ghislaine mitten ins Gesicht. Er lächelte … um zu überspielen, dass er versuchte … unvoreingenommen versuchte … ihr Gesicht zu beurteilen. Die Haut war weißer als die der meisten weißen Menschen. Als Ghislaine alt genug gewesen war, um die Bedeutung von Worten zu verstehen, hatte Louisette damit begonnen, ihr von Sonnentagen zu erzählen. Direkte Sonne ist nicht gut für deine Haut. Das Allerschlimmste ist, wenn du dich in die Sonne legst. Sogar, wenn du nur in der Sonne herumläufst, ist das zu gefährlich. Setz dir einen Strohhut mit breitem Rand auf. Noch besser, nimm einen Schirm mit. Allerdings konnten kleine Mädchen schlecht mit einem Sonnenschirm durch die Gegend laufen. Aber wenn sie unbedingt in die Sonne gehen musste, dann sollte sie zumindest einen Strohhut aufsetzen. Du darfst nie vergessen, dass du eine sehr schöne, aber auch eine sehr helle Haut hast, die leicht einen Sonnenbrand bekommt, und du musst alles tun, um keinen Sonnenbrand zu kriegen. Aber Gislaine hatte es sehr schnell kapiert. Mit Sonnenbrand hatte das alles nichts zu tun … es ging um die Sonnenbräunung .

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