back to past - zurueck zu dir
eingestellt. Der Mann vor ihm allerdings vibrierte vor Anspannung. Seit Jahren unterdrückte Aggression konnte jederzeit hervorbrechen und sich in einer Explosion entladen, die tägliche Prügel und Straßenschlägereien harmlos erscheinen ließ. Eine Lektion, die er nach wenigen Tagen im Jugendgefängnis auf die harte Tour gelernt und seitdem nie vergessen hatte. Unauffällig, fast freundlich, hatte der Junge sich verhalten, Stefan oder Frank, der Name war ihm längst entfallen. Christian hatte nicht mehr daran gedacht, dass es einen Grund dafür gab, warum sie einen Raum hinter verschlossenen Mauern teilten. Zu sicher hatte er sich gefühlt, es immer noch nicht begriffen, als der andere ihn gegen die Wand geschleudert hatte, nicht damit aufgehört, seine Fäuste auf ihn niederregnen zu lassen, bis die Wachleute ihn wegzerrten. Doch vergessen hatte er ihn nie, weder das Lächeln, das einen gefährlichen Funken in den Augenwinkeln aufblitzen ließ, noch die Art, wie Stefan oder Frank sich umdrehte, wenn er sich überrascht fühlte. Wie ein Raubtier kurz vor dem Sprung. Doch erst, als Christian auf der Krankenstation wieder zu sich gekommen war, hatte er begriffen, dass exakt diese Anspannung ihn zurückgehalten hatte. Bis dessen Wut auf einen Auslöser traf, über die Ufer wuchs und ihm die Kontrolle geraubt hatte.
Christian atmete aus, hielt den Blick des anderen und versuchte sich an einem weiteren Lächeln.
„Es tut mir wirklich leid“, sagte er und neigte den Kopf zur Seite, bevor er sich zu den Jugendlichen umwandte. „Ich habe vollkommen die Zeit vergessen. Wir müssen jetzt schließen.“
Er zuckte mit den Schultern, als ein unwilliges Raunen erklang.
„Jetzt schon?“, beschwerte sich ein Mädchen. „Dann brauchen wir gar nicht hierher kommen. Ist sowieso öde.“
„Im ganzen Kaff ist nix los“, murrte ein anderes. „Und jetzt werden wir hier auch noch rausgeworfen.“
Christians Blick blieb aus den Augenwinkeln auf Matthias gerichtet, während er die Kasse öffnete. „Wisst ihr was“, fuhr er freundlich fort. „Weil ich euch früher hätte Bescheid sagen sollen, verspreche ich, dass das nicht wieder vorkommen wird. Meine Termine werde ich in Zukunft einfach sorgfältiger legen.“ Er nahm einen Schein aus der ansonsten fast leeren Kassette und winkte Luca damit. „Und als Entschuldigung lade ich euch auf ein Eis ein. Das Eiscafé zwei Straßen weiter dürfte noch mindestens eine halbe Stunde aufhaben. Dann schafft ihr es mit etwas Glück auch vor dem Gewitter nach Hause.“
Luca sprang auf und schnappte sich den Schein. „Ist cool“, strahlte er und drehte sich zu den anderen, die ihm weniger enthusiastisch folgten. Als die Letzten aus der Tür waren, schloss Christian sie langsam und drehte sich zu Matthias um. Der betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn.
„Jetzt können wir reden“, meinte er und bemühte sich um einen beruhigenden Ton. „Ich vermute, dass Sie sich irren“, fuhr er fort. „Es handelt sich hier lediglich um ein Zufluchts- und Freizeitangebot für Jugendliche. Mein Kollege und ich sind die einzigen Zuständigen. Er wird jeden Augenblick zurückkommen.“
Matthias’ Hände gefroren in der Bewegung. Seine Wangenknochen traten hervor. „Willst du mich für dumm verkaufen?“
Christian wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Matthias folgte ihm und seine Stimme schwoll an. „Ich weiß, dass du Gabriel fickst. Die Freaks in seinem Haus ließen keinen Zweifel daran.“
Christians Augen weiteten sich. Er erkannte die Ader auf der Stirn des Mannes, die sich verdunkelte und gefährlich anschwoll, die Fäuste, die sich ballten.
„Ich versichere, dass ich keine Ahnung habe, wovon Sie sprechen“, versuchte er sich herauszureden. Doch selbst in seinen eigenen Ohren klang er nicht überzeugend. „Sie müssen mich verwechseln.“
Matthias schnaufte. Seine Brust hob und senkte sich, die Knöchel wurden weiß.
„Verarsch mich nicht.“ Seine Zähne knirschten, seine Augenbrauen wölbten sich wie Wülste nach vorne. „Ich riech das doch. Ich sehe, was los ist. Du bist genau die Art von Wurm, die sich an jemanden heranmacht, der außerhalb seiner Gewichtsklasse liegt.“
Christian tastete nach dem Türgriff in seinem Rücken, suchte nach Worten, die dem anderen den Wind aus den Segeln nahmen. Doch vergeblich. Stattdessen fühlte er den Schlag, bevor seine Augen ihn kommen sahen, wurde gegen die Wand geschleudert, bevor ihm bewusst wurde, dass seine Finger ins Leere
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