Backstage
deine Mitarbeiterin, diese Gladys, dazu, wenn du das für nötig hältst.»
«Sie hat anderes zu tun.»
«Ich fühl mich bei dir sicher.»
Das Park-Hotel in der Budapester Straße war ein modernisiertes Traditionshaus. Die Suite im vierten Stock bot einen herrlichen Ausblick, über den Landwehrkanal in den Tiergarten, links der Zoo; es gab keine gegenüberliegenden Häuser, die Fotografen Möglichkeiten zum Schuss böten.
Reimann und Gladys standen am Panoramafenster. Gladys verdrehte die Augen zu Melissa hin.
«Sie ist gut», grinste Reimann. «Wir haben die Bande abgehängt.»
«Du sabotierst meine Arbeit.»
«Ach, bleib friedlich, Melissa. So haben wir den Umzug in einem Abwasch erledigt. Außerdem muss ich mit Tom reden.» Er hatte ihn für sich, seinen Goldjungen, versuchte, die Gunst der Stunde zu nutzen; du sollst keine anderen Berater haben neben mir.
«Ich habe hier einen Jungen, der dir fünfzig Prozent seiner Gemaeinnahmen überweist. Er hat interessantes Material, ein ehrgeiziges Bürschchen, will sich als Komponist einen Namen machen, aber in der E-Musik, nicht in der Unterhaltung, für uns wird er unter Pseudonym arbeiten, um sich seinen guten Namen für die Klassik nicht zu versauen. Wie gesagt, er hat neues Material ...»
«... das du mir schon in Amsterdam unterjubeln wolltest.»
«Jetzt hat sich die Situation verändert.»
«Weil Panitz aus dem Weg ist?»
«Lass ihn in Frieden, es geht nicht um Panitz, es geht ums Geschäft.»
Eine Hotelangestellte machte sich über Brauns Koffer her, den Melissa mitgenommen hatte, eine andere sammelte Vasen und Gestecke mit Schnittblumen ein und brachte sie aus der Suite. Braun hasste Schnittblumen, den kleinen Tod, wie er sie nannte. Er stand mit dem Rücken zum Fenster, betrachtete den Wohnraum, das Doppelbett durch die geöffnete Tür zum Schlafzimmer, dahinter Ankleideraum und Badezimmer, am Eingang eine Gästetoilette. Er wirkte auf seltsame Art verloren, weckte beschützerische Gefühle in Melissa.
«B. R., wie wäre es, wenn Tom sich erst mal in Ruhe einrichtet.» Reimann sah irritiert hoch.
«Na ja, dann bezieh ich mal mein Zimmer, lass mein Gepäck nachkommen, ich bin einen Stock tiefer, Tom, Nummer zehn. Ich komme später wieder.»
«Nein.»
«Was?»
«Nein. Lass mich heute mal in Ruhe. Ich will später nochmal zu Lilli fahren.»
«Ob das so gut ist?»
«Halt den Mund.»
Reimann klappte der Kiefer. Aber er schwieg, nach einem Blick in Toms Gesicht, der zum ersten Mal entschlossen und wach wirkte. «Schön. Dann frühstücken wir morgen zusammen. Acht Uhr. Vorher der Trainer. Du übernachtest hier, Melissa, ich hab dir ein Zimmer auf diesem Stock genommen. Du fährst ihn in die Klinik.»
«Ich kenne meinen Job.»
«Lissa, du musst mir einen Gefallen tun. Ich muss Lilli sprechen. Finde bitte heraus, wie lange sie noch in der Klinik ist und ob ich sie besuchen kann. Wo steckst du?»
«Im Park-Hotel, wo Braun jetzt wohnt. Ich übernachte heute hier. Du klingst aufgeregt. Alles in Ordnung, Paula?»
«Ja. Komm schon, klär das, es ist dringend.»
«Ich rufe in fünf Minuten zurück.»
Paula ging in ihr Schlafzimmer, wusch sich notdürftig, wählte einen schlichten Hosenanzug in Schwarz. Aber der Jackenärmel war zu eng, und deshalb entschied sie sich für ein T-Shirt mit kurzen Armen und nahm ein altmodisches, albernes, stolaartiges Wolltuch dazu. Es war ein ungewöhnlich warmer Nachmittag für diese Jahreszeit gewesen, aber was war schon ungewöhnlich beim Wetter, das Ungewöhnliche die neue Normalität.
Tamara räumte in Wohnzimmer und Küche auf.
«Lilli hat sich in eine Hotelklinik, was immer das sein soll, verlegen lassen. Sie bleibt vorläufig dort, ist offiziell nicht sprechfähig, also auch nicht vernehmungsfähig. Sie will dich sprechen, gegen ärztlichen Rat, unbedingt, und bevor ich fragen konnte, ob du sie sprechen kannst. Morgen Vormittag. Tom wollte sie heute Abend nochmal besuchen, aber die Leitung schirmt sie ab, es sei genug Aufregung für einen Tag gewesen, sie brauche Ruhe. Tom ist beleidigt. Übrigens, Reimann wohnt jetzt auch hier, im Hotel, und Gladys ist da.»
«Gladys?»
«Ja. Ich hab sie vor dem, vor unserem Büro getroffen, sie hat mir bei einem Ablenkungsmanöver geholfen. Reimann ist begeistert von ihr, würde sie am liebsten einstellen und mich feuern.»
«Sprichst du mit ihr?»
«Geht heute Abend nicht mehr, ich muss mich um Braun kümmern. Sie wird in ihr Hotel fahren, kommt aber morgen zum
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