Backstage
morgen singen?» Und so weiter, der übliche Fragenkatalog zu solchem Anlass.
Melissa drückte die Tür neben der Einfahrt auf, schirmte Gladys ab, die als Erste hineinschlüpfte. Die Frauen brauchten alle Kraft, um die Tür von innen zu schließen, jemand presste von außen dagegen.
Der Butler der ersten Tage wartete auf sie an der Fahrstuhltür. Melissa hob warnend den Zeigefinger, als er, nach kurzem Gruß, in vertraulichem Ton anfing: «Dieser Braun ist völlig ...»
«Kein Wort mehr.»
Beleidigt drehte er ihr den Rücken zu.
Braun lag auf einer der Couchen, eine Kaffeetasse in der Hand. Ratatatata, Zeigefingernagel auf Porzellan, mit unregelmäßigen Pausen.
Melissa stellte Gladys Parker als Mitarbeiterin vor.
Reimann, wieder mal am Telefon, nickte kurz.
Die Frauen traten an die Fensterscheibe, vor sich Schauspielhaus und die beiden Dome, auf einem der Türme entdeckten sie einen Fotografen, die Kamera im Anschlag.
«Wie geht es deiner Frau?», wandte sich Melissa an Braun. «Was?»
«Wie geht es Lilli?»
«Ganz gut. Sie ist noch schwach. Und durcheinander.»
«Das kriegen die schon wieder hin», sagte Reimann. «Die Klinik hat einen erstklassigen Ruf. Und anschließend macht sie eine lange, erholsame Kur. Sie ist dort gut aufgehoben. Aber an dir müssen wir arbeiten, Tom. So tragisch das ist, aber wir haben so viele Anfragen für Fernsehauftritte, Galas, Gigs wie lange nicht mehr. Wie wäre es mit einer Erkennungsmacke, skurril, aber sympathisch. Klingt zynisch, aber so sind die Realitäten.»
«Any press is ...», warf Gladys ein.
«... gute Presse», ergänzte Reimann.
«Wir sollten los», schaltete sich Melissa ein. «Reimann nimmt die Limousine, macht eine schöne, lange Stadtbesichtigung und fährt anschließend zurück in sein altes Hotel hier am Markt. Währenddessen bringe ich Tom in sein neues Hotel. Genauer gesagt, Gladys fährt dich, Mister B., du sitzt hinten, ein idealer Platz zum Arbeiten, Hauptsache, das Auto bleibt in Bewegung. Du wirst abtauchen, dich ducken, bis ihr die Leute im Rücken habt, dann setzt du dich auf und bietest ihnen deinen Rücken als Köder. Gladys ist Chefin der Aktion, besser, du lässt deine Einwände stecken. Deine Nachforschungen müssten dir gezeigt haben, dass ich meinen Job verstehe.»
«Diese Nachforschungen sind Usus, ich kann nicht jedem meinen Klienten anvertrauen. Aber ich weiß nicht, ob mir dein Ton gefällt, Melissa.»
«Mir gefällt auch so einiges nicht. Lasst uns das hier effizient und professionell durchziehen, im Interesse aller.»
Reimann starrte Melissa sekundenlang an, warf einen Blick auf Braun, der immer noch auf dieser Couch lag, sah zu Gladys, musterte sie von Kopf bis Fuß.
«Versteht sie etwas davon?»
«Oh, ich bin eine gute Autofahrerin, keine Sorge, we'll get along», erwiderte Gladys mit einem Lächeln, einem beruflich geübten, das die Augen nicht erreichte.
«Das Gepäck ist transportbereit», meldete der Butler.
«Sie können gehen», entschied Reimann. «Wir brauchen Sie nicht mehr.»
«Ich werde hier noch aufräumen.»
«Haben Sie nicht gehört? Sie können gehen. Abmarsch. Ende. Sofort», schrie Braun mit greller Stimme.
Der Butler lief rot an, deutete ironisch eine kleine Verbeugung an, verschwand im Treppenhaus.
«Das war unklug, Tom. Der läuft schnurstracks zur Presse und verkauft meistbietend.»
«Der schnüffelt, seit er hier ist», wehrte Braun ab.
«Wir sollten uns beeilen», sagte Gladys. «Kommen Sie, Herr Reimann, fahren wir ab. Sie können mich April nennen.»
«April? Es gibt Eltern, die lassen nichts aus. Tom, wir telefonieren später, ich ziehe morgen zu dir ins Hotel. Du solltest früh schlafen gehen. Ja doch, ich komme und ...»
Den Rest seiner Worte verschluckte der Fahrstuhl.
Melissa sah auf die Uhr.
«Zehn Minuten geben wir ihnen. Brauchst du noch etwas?»
«Nein.»
Brauns linkes Bein zuckte, wie von Schüttelfrost befallen.
Paula und Tamara saßen am großen Tisch.
«Du hast doch mit dem Arzt gesprochen, der damals zum Unfallort geholt wurde. Hast du die Nummer notiert und zufällig bei dir?»
«Zufällig ist die im Laptop», antwortete Tamara.
«Wie ist er?»
«Kompliziert. Ein unzugänglicher, alter Mann.»
Tamara diktierte Paula die Zahlen.
«Oshinski. Paula von Oshinski, Berlin. Entschuldigen Sie die Störung, Dr. Beier. Haben Sie einen Moment Zeit?»
«Aus Berlin. Guten Tag. Geht es schon wieder um die Sache damals?»
«Ja.»
«Also los. Fragen Sie. Irgendwann musste
Weitere Kostenlose Bücher