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Backstage

Backstage

Titel: Backstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schwarzwälder
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Frühstück. Und du?»
    «Ich fahre mit Tamara nach Grünau.»
    «Willst du nicht wenigstens einen Blindanruf machen, um zu überprüfen, ob Teichert zu Hause ist?»
    «Schon geschehen, unter meinem Namen. Frau Teichert hat mich spontan zu ihrem Grillabend eingeladen, einfach vorbeikommen, sagte sie. In welchem Hotel wohnt Gladys?»
    «In einem kleinen Hotel Nähe Kollwitzplatz. Diese Nacht muss sie sowieso zahlen, sonst hätte ich sie bei mir untergebracht. Passt auf euch auf. Sag mal, warum will dich Lilli so dringend sprechen? Nur, um sich zu entschuldigen?»
    Paula erzählte Melissa ihre Version der 77er Geschichte.
    «Dein Hotel ist im Prenzlauer Berg?»
    «Am Kollwitzplatz, nördlich des Alexanderplatzes. Ich war neugierig auf diese Gegend, sogar Clinton war dort.»
    Prenzlauer Berg. Früher ein aufgegebener Raum mit Schlupfwinkeln für Unangepasste aller Couleur, infiltriert von Stasimitarbeitern, auch aus den eigenen Reihen, der eine und andere Ehemann, Gitarrist oder Schriftsteller: sehr jung - sehr gläubig - ehrgeizig - das Ärgste abwenden - niemandem geschadet - intellektuelle Herausforderung - halt den Mund, Westler, du weißt nicht, wie du in solcher Situation entschieden, wie du verraten. «1987, zur 750-Jahr-Feier in Berlin-Ost, wurde die Husemanntraße zur potemkinschen Vorzeigemeile: Handwerker klauten sich gegenseitig Material, vieles wurde nur oberflächlich saniert, es fehlte manchmal sogar an Nägeln. Ansonsten ließ man das Viertel vergammeln, siedelte viele Bewohner nach Marzahn um, in eine gigantische Plattenbausiedlung am östlichen Rand Berlins.»
    «Was dann?», fragte Gladys. «Was, wenn alle, wie du sagst, umgesiedelt? Wollten sie es abreißen, das alte Viertel?»
    Melissa hob die Hände. «Das werden wir nie erfahren. Der Kiez war besonders beliebt und lebendig in der Nachwendezeit», fuhr sie fort.
    Braun hatte sie gebeten, zu bleiben, er suchte die Gesellschaft von Melissa und Gladys, als sich herausstellte, dass der Abend ihm gehörte und dann Melissa zur Berlin-Reiseführerin ernannt. Den Kollwitzplatz, bekannt, seit Offizielle ab und an unter dem Schutz von Sicherheitsleuten den Gang in den Kiez, den verruchten, wagten, kannte auch er, dem Namen nach.
    «Jetzt ist der Kiez um den Platz langweilig und bieder geworden, die Karawane weitergezogen, nach Friedrichshain. Damals war dort was los. Aber leider hatte das Folgen. Der Kiez, hoch bewertet, wurde begehrt als Wohnort, die Mieten sind gestiegen, und diese hohen Kosten haben die Leute vertrieben, die für den Kultstatus gesorgt haben.»
    «So ist das in jeder Großstadt», warf Gladys ein und sah Braun an.
    «Alteingesessene sind weggezogen, jeder freie Laden, der Pleite ging, wurde zur Kneipe, der Einzelhandel stirbt. Immobilienhaie aus dem Westen übernahmen, Eigentumswohnungen entstanden, Osteigentümer bauten Dachgeschosse aus und dachten, sie könnten Bonner reinverfrachten und abkassieren. Maler verloren Ateliers, Experimentierer Arbeitsräume. Wir lernten, dass man sich im Westen rechtfertigen muss, wenn man ab einem gewissen Alter nicht wohlhabend ist und entsprechend eingerichtet, mit Auto und zukunftsversorgt.»
    «Ihr entschuldigt mich.»
    Braun verschwand im Schlafzimmer.
    «Das war deutlich», sagte Gladys.
    «Kannst du nicht bleiben?»
    «Sorry. Ich habe noch einen Termin. The last», setzte sie leise hinzu.
    «Nimm meinen Zweitschlüssel», sagte Melissa. «Nur zur Sicherheit, falls du das Hotel über hast.»
    «Okay. Dann bis morgen früh. Und - danke.»
    «You are welcome.»
    «Die reinste Idylle.»
    «Warst du noch nie hier?»
    «Nö.»
    «Melissa hat mir den Osten gezeigt und ich ihr den Westen. Zu Fuß. So was muss man erlaufen.»
    «Ich seh mal auf dem Stadtplan nach, wo diese Straße ist.»
    «Irgendwo am Wasser.»
    «Langer See», buchstabierte Tamara. «Wirklich, wie im Film, nach diesem hässlichen Industriegebiet.»
    Im Süden der Flughafen Schönefeld, im Norden der Müggelsee, dazwischen der Lange See, in einem kleinen Paradies aus Waldgebieten, Seen, Kanälen und Flussläufen.
    Paula hatte die Autofahrt genossen. Himmel von arktischem Blau und Frühlingsgrün, grell und leuchtend, erste Blätter an Sträuchern im Immergrün der Kiefernwälder. Sie dachte noch nicht an Teichen, das anstehende Gespräch und wie ihn befragen - das würde sich aus der Situation heraus ergeben, sie vertraute auf ihre Erfahrung. Lissa hatte versprochen, das Erzählte für sich zu bewahren und zu versuchen, sie am Morgen in

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