Backstage
hier.»
«Nanu? Von uns? Sind Sie interessiert an einer Wohnung?», spöttelte Teichert.
«Danke, ich bin versorgt. Helfen Sie mir doch mal, den Plan zu entfalten. Hier. Sehen Sie?»
«Da bricht man sich ja ein Auge.»
Teichert nahm einen Schluck Bier, studierte den Grundriss, ebenso seine Frau.
«Ach das. Die Kreuze. Das hängt mit Wasserleitungen zusammen. Panitz hatte so eine Theorie mit Wasseradern, wollte, dass das jemand überprüft, ein Wünschelrutengänger sollte das überprüfen, damit seinem Freund Tom nischt passiert. Hab ich nie verstanden. Sehen gut aus, die Würste, echte Thüringer, es wird doch kühl, essen wir drin. Wasser und Wald, das hält die Luft frisch und kühl.»
Nachdem Gladys sich verabschiedet hatte, bestellte Braun einen Film, Heat, mit Al Pacino und Robert De Niro, nahm eine Schlaftablette und kroch in der Mitte des Films ins Bett. Melissa, hellwach nach dem Vormittagsschlaf, wartete, bis er fest schlief, schrieb ihm eine Nachricht, lehnte den Zettel ans Telefon neben dem Bett: Bin in der Bar oder meinem Zimmer. Melissa.
Am Flügel perlte ein Pianist Gezähmtes vor sich hin, zeigte Zähne, auch wenn niemand hinsah, nudelte gekonnt das, was man auch in der Provinz für Jazz hielt.
An die Bar? Nein, sinnlos, wenn sie nicht damit beschäftigt sein wollte, Unnahbarkeit auszustrahlen, irgendein Onkel würde es doch nicht kapieren, dass nicht nur im Film eine Frau auch mal in der eigenen Gesellschaft trinken wollte. Wodka und Wasser, nichts Gepanschtes, wie früher, auf Tourneen durch die kleine Täterä, Hauptsache, es drehte schnell und sorgte für nötige Bettschwere. Und das Abwehren fiel leichter, von den idiotischen Kollegen, die noch glaubten, eine Frau in einer Band störe, außer den Singezähnen, die mussten sein.
«Auch noch munter?»
Ach, der unvermeidliche Mister B., im lässigen Anzug, aber mit Schlips. Der Abend würde doch früher als gedacht in ihrem Zimmer enden. Sie hatte keine Lust heute Abend auf Ausfragen, Taktieren, Verdächtigen, auf Mord und weiterführende Fragen, bemüht, den verdammten eigenen Ruf zu schützen, herzustellen, aufzupolieren. Sie wollte in Ruhe trinken, drei, vier Gläschen, vor sich hinstarren und Gedanken vertreiben, vor allem die an Lilli und das, was Paula ihr anvertraut hatte, eine schöne, abendlange Pause für den Kopf. Allein.
Aber Reimann rückte sich schon den Stuhl zurecht, rechts von ihr, und studierte die Karte, als lernte er sie auswendig, der Kellner stand geduldig daneben.
«Was trinkst du? Wasser? Na ja. Welches Bier ist vom Fass?»
«Alle Sorten, die hier aufgeführt sind.»
«Geben Sie mir ein Glas Wein. Welchen können Sie empfehlen?» Reimann Geschwätz endete in einer Whiskey-Bestellung, nachdem er das Wodkaglas vor Melissa entdeckt hatte.
«Was macht mein Sonnyboy? Schläft? Gut so. Morgen ist ein wichtiger Tag. Ich habe dir den Plan aufs Zimmer bringen lassen. Wo ist denn deine Kollegin? Ist eine hübsche Frau. Sag mal, die ist doch keine Deutsche, spricht zwar hervorragend, besser, als mancher Deutsche, aber manchmal merkt man's. Hast du 'ne Telefonnummer?»
«Willst du sie abschleppen?»
«Du hast die Diplomatie auch nicht mit Löffeln gefressen.»
«Stand das nicht in dem Bericht über mich? Meine Klienten können Diplomatie von mir beanspruchen, du musst es dir verdienen.»
«Wieder dieses Ding. Bringen Sie mir gleich noch einen, Ober, einen doppelten, und für sie das, was sie da trinkt. Jetzt wollen wir mal Frieden schließen, Melissa. Das ist doch Schnee von gestern. Die haben nur das Beste von dir berichtet. Und nur berufliches, aus den letzten Jahren. Prost.»
Die Bar füllte sich. Paare. Einzelne Männer. Gepflegte Langeweile. Saubere Luft, saubere Manieren, gedämpfte Gespräche, aufmerksames Personal, zurückhaltend, unauffällig alles im Blick. Saubere Klos, saubere Gläser, gebügelte Klamotten, desinfizierte Musik. Melissa sehnte sich heftig nach ihrer lauten Stammkneipe, auch mal schmuddelig, wo sich die meisten Gäste kannten, die Musik, die gespielt wurde, mitbestimmten, wo heftig gestritten, miteinander geredet, leidenschaftlich geschwiegen wurde; ab und an feierte die ganze Kneipe, Feste, die aus dem Moment heraus entstanden, alle paar Monate musste der Mann hinter dem Tresen mit dem Baseballschläger dazwischen.
Reimann überprüfte Mailbox- und SMS-Eingänge und telefonierte noch, als Melissa von der Toilette zurückkam.
«Wir werden uns erst mal bei Country treffen, Countrysongs sind
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