Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Backstage

Backstage

Titel: Backstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schwarzwälder
Vom Netzwerk:
diesen mochte sie eh nicht, und wer hatte begonnen, Jeans mit Knöpfen zu gestalten statt Reißverschluss, die Knopflöcher waren viel zu eng, also eine andere aus dem Schrank zerren.
    Der Bus vorzeitig abgefahren, der nächste fünfzehn Minuten später. Also lief sie los, im kühlen Morgen, die Umgebung und sie sich fremd und eine Last.
    Am Bahnhof angelangt, zu Fuß, zum Café im Nebengebäude, «es dauert ein paar Minuten», sagte die Bedienung, «Kaffee ist gerade aus», da endlich war es wieder da, das Lachen. Sie kaufte eine Fahrkarte, Kurzstrecke, ließ sich den Kaffee, to go, schmecken und gähnte sich ausgiebig wach während der langen Strecke zwischen Nikolassee und Grunewald, parallel zur Avus, durch den Grunewalder Forst, lange ihr Ausflugsziel zu Westberliner Zeiten, wenn sie mal Sehnsucht hatte, mit Tausenden von Berlinern am Wochenende durch den Wald zu kreiseln.
    Zehn Minuten Fußweg brachten Paula zu dem Hotel, in einer sehr ruhigen Seitenstraße, baumbewachsen, die Gebäude zurückgesetzt, die Fassaden weitgehend hinter Hecken und Bäumen verborgen.
    Sie ließ die Gedanken an Lilli wieder zu. 1977. Das Dorf. Eine Stelle, wo sich Jugendliche trafen. Das Mädchen, das verblutete. Lilli, die zusah.
    Eine Klingel am Tor, eine Gegensprechanlage, die Bitte, zu warten, dann wurde sie von einem Mann im Anzug hereingebeten; Paula hatte einen weiß gekleideten Pfleger erwartet. Aber das Ganze hatte nichts von einer Klinik, sondern glich einem Landhotel, die Zimmer und Suiten, sehr ruhig, Flügeltüren zum Foyer, mit geschwungener Treppe, aber auch ein Fahrstuhl. Perserteppiche dämpften Schritte, gedämpft das Licht, die Farben, es war niemand zu hören.
    Man bat sie in eine Art Bibliothek, wo eine Hausdame sie empfing, unauffällig Paulas Aussehen prüfte, sich den Ausweis zeigen ließ und, auch wieder, angesichts des Namens, hörbar freundlicher wurde.
    «Frau Braun ist erstaunlich robust, körperlich gesehen, hatte aber trotz Schlafmittel eine schlechte Nacht. Sie besteht aber auf diesem Gespräch mit Ihnen. Regen Sie sie bitte nicht zusätzlich auf. Sie kann, wenn gewünscht, rund um die Uhr ärztliche Betreuung in Anspruch nehmen. Wir tun unser Möglichstes, um Frau Braun zu Ruhe und Erholung zu verhelfen. Wir gewährleisten absolute Privatsphäre. Sie können gerne auch mit ihr in den Garten gehen, dort saß sie schon heute früh, am See. Das Grundstück ist selbstverständlich zu den Nachbarn hin gesichert, niemand kann es einsehen», setzte sie beim Hinausgehen hinzu. «Möchten Sie einen Kaffee? Ein Croissant dazu? Kommt gleich. Und ich lasse Frau Braun Bescheid geben.»
    Paula vermochte das kleine Frühstück nicht zu genießen, die Atmosphäre des Raumes bedrückte sie, Friedhofsruhe und auch, wenn das Zimmer peinlich sauber war, imaginierte Paula staubige Bücher und alte Möbel, in denen das abgeschlossene Leben anderer steckte. Eine Insel, zum Ersticken, das Lebensgefühl auf Sparflamme, sterilisiert.
    Lilli erschien in teurem Hosenanzug, heute sparsam geschminkt. Sie lief langsam, das Gesicht blass und müde, die Züge unruhig: «Es tut mir alles so Leid», brach es aus ihr heraus, und schon flossen Tränen, und Paula tat ihr Bestes, die Frau zu beruhigen, unmöglich, sie in diesem Zustand mit ihren Vermutungen zu konfrontieren, aber wie lange Schonzeit und was ging sie diese Frau an, die sie und auch Lissa in ihren Schlamassel gezogen hatte. Sie waren ungefähr gleich alt, und doch rührte Lilli sie auf eine Weise an, als sei sie eine jüngere Schwester, um die sie gewohnt war, sich zu kümmern. Endlich beruhigte Lilli sich und bat, sie in den Garten zu begleiten. Kühl, das Gras noch stellenweise nass von Tau, Trauerweiden, Kiefern, vereinzelt, eine Bank am Wasser, Seerosen und andere Wasserpflanzen in Ufernähe. Die Bank war Lillis Ziel, man sah in eine kleine Bucht, am anderen Ufer nur Hecken und Zäune und eine Pforte zum See.
    Noch einmal log Paula, dass der Bruch nicht kompliziert, nicht schmerzhaft, warum schützte sie diese Frau?, konnte sich deren brutale Handlung doch nicht recht vorstellen?, als sei die eine andere gewesen.
    Fehlgeburt, ja, ein Abgang, nannte es Lilli, «als hätte ich meine Periode», ganz nüchtern, jetzt. Keine Tränen mehr, aufrecht saß sie auf der Holzbank, Paula daneben. Aber - sie schien unter Tabletten zu stehen, wenn Paula den Blick, die Körpersprache richtig deutete.
    Minutenlanges Schweigen, bis Paula, ärgerlich - ich bin weder Freundin noch Verwandte,

Weitere Kostenlose Bücher