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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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senkte den Blick. Jetzt war sie es, die vor Erregung rote Backen bekam. Sie tigerte auf und ab und ließ dabei die Arme schwingen. Ich merkte ihr an, dass sie immer noch böse auf mich war, aber auch innerlich gespannt, erschrocken und, ja, voller Leidenschaft.
    »Du weißt, es hängt nicht nur von mir ab«, sagte sie schließlich, ohne stehen zu bleiben. Dan und ich wechselten verschmitzte Blicke: Sie saß jetzt mit im Boot.
    »Ich weiß«, erwiderte ich. Aber sie spielte eine entscheidende Rolle, war eine echte Meinungsführerin der Ad-hocs von Liberty Square. Sie kannte die Systeme in- und auswendig, fällte gute und vernünftige Entscheidungen und verlor
in Krisen nicht die Nerven. Sie war kein Hitzkopf, neigte nicht zu radikalen Kursänderungen. Unser Plan würde ihrem Ruf schweren Schaden zufügen und das Woppel, das sie diesem Ruf verdankte, in kürzester Zeit aufbrauchen. Doch wenn das eintrat, würde das neue tausendköpfige Ad-hoc ihr Woppel wieder in die Höhe schnellen lassen.
    »Ich meine, ich kann nichts garantieren. Ich würde mich wirklich gern gründlich mit dem Plan befassen, den die Imagineure entwickeln, und mir ein paar simulierte Kamerafahrten ansehen …«
    Ich wollte etwas einwenden, sie daran erinnern, dass Zeit der entscheidende Faktor war, aber sie kam mir zuvor.
    »Aber ich werde darauf verzichten. Wir müssen schnell handeln. Ich bin dabei.«
    Sie sank mir nicht in die Arme, küsste mich nicht und sagte mir auch nicht, alles sei vergeben und vergessen, aber sie machte mit, und das genügte mir.
     
    Irgendwann im Laufe des Tages waren meine Systeme wieder online, doch ich nahm es kaum zur Kenntnis, so sehr beschäftigte mich das neue Spukhaus. Junge, Junge, was für ein Wagnis: Seit 1969 das erste Spukhaus in Kalifornien eröffnet hatte, war niemand auch nur im Entferntesten auf die Idee gekommen, daran herumzubasteln.
Na gut, die Version in Paris, das Herrenhaus der Phantome, hatte eine etwas andere Handlung, aber das war nur eine geringfügige Modifikation, um den europäischen Markt dieser Zeit zufriedenzustellen. Niemand wollte eine Legende verpfuschen.
    Was machte das Spukhaus denn eigentlich so cool? Ich hatte Disney World viele Male besucht, bevor ich mich dort angesiedelt hatte, und das Spukhaus war, ehrlich gesagt, nie mein absoluter Favorit gewesen.
    Aber als ich leibhaftig nach Disney World zurückkehrte, von einem dreistündigen, im Wachzustand erlebten Flug von Toronto zu Tode gelangweilt, zog mich die Menschenmenge unwillkürlich mit zum Spukhaus.
    Es ist einfach furchtbar, in meiner Begleitung einen Themenpark zu besuchen. Seit ich mich als Jung-Punk auf überfüllten U-Bahnsteigen durch Menschenmengen gedrängelt hatte, um den einzigen Platz in einem vollen Wagen in Beschlag zu nehmen, war ich versessen darauf, besser zu sein als die Masse.
    In den frühen Tagen der Bitchun Society habe ich einmal einen Blackjack-Spieler kennengelernt, der zwanghaft Karten zählte, eine Art verrücktes Genie. Er war ein pummeliger, bescheidener Ingenieur, der mäßig erfolgreiche Gründer eines mäßig erfolgreichen Hightech-Startup-Unternehmens,
das irgendwelche wundersamen Dinge mit Software-Agenten angestellt hatte. Er war zwar nur mäßig erfolgreich, aber märchenhaft reich. Er hatte nie einen Cent Kapital für sein Unternehmen aufgetrieben, doch es hatte ihm zu hundert Prozent gehört, als er es schließlich für eine Badewanne voller Geld verkaufte. Sein Geheimnis waren die grünen Filztische von Las Vegas, wohin er jedes Mal pilgerte, wenn sein Konto in den Keller sackte, um die Bilderkarten und die Zehnen zusammenzuzählen, die Chancen zu berechnen und irgendwann die Bank zu sprengen.
    Lange nachdem er die Softwarefirma verkauft hatte, lange nachdem er völlig ausgeflippt war, zog er sich alberne Verkleidungen an, drosch auf die Tische ein und spielte eine Runde Siebzehn und Vier nach der anderen, aus schierem Vergnügen daran, das Haus zu schlagen. Es war eine reine Kopfsache für ihn, ein kurzer Rausch, wenn der Geber die Taschen leeren musste, und bei jeder Runde verdoppelte er den Einsatz.
    Obwohl ich bis dahin nicht einmal Geld für ein Lotterielos ausgegeben hatte, brachte er mich auf den Geschmack. Nur kam es mir darauf an, Menschenmengen auszutricksen, den Weg des geringsten Widerstandes zu finden, die Lücken auszunutzen, die kürzesten Menschenschlangen auszumachen, dem Verkehr auszuweichen, nonchalant
die Spuren zu wechseln – mich präzise, elegant und vor allem

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