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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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monströse Anhäufung von Woppel-Punkten, die mein Headmount-Display ihr zuschrieb.
    Sie spielte ihre Rolle und sollte nicht unbedingt fröhlich rüberkommen, aber Ensemblemitglieder ihrer Generation können gar nicht anders als freundlich sein. Also suchte sie nach einem Kompromiss zwischen beängstigendem Auftreten
und liebenswürdigem Naturell, grinste mich schief an, knickste wie ein Zombie und ächzte: »Danke. Wir tun unser Bestes, den Geist des Hauses zu bewahren.«
    Ich murmelte irgendetwas Anerkennendes. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie wirklich sehr süß war, ein kleines Prachtstück von einem Mädchen. Daran konnten auch die verrottete Dienstmädchenuniform und der Staubwedel nichts ändern. Sie wirkte so sauber und adrett und strahlte so viel Zufriedenheit aus, dass ich sie am liebsten in die Backen gezwickt hätte – oben und unten.
    Also nutzte ich die Gunst der Stunde und fragte: »Wann lässt man euch Leichenfledderer denn von der Leine? Ich würde dich gern zu einem Zombie-Cocktail oder einer Bloody Mary einladen.«
    Was nach weiterem gruseligem Geplänkel dazu führte, dass ich sie auf ein paar Gläschen in den Abenteurerclub ausführte, wo ich ihr Alter erfuhr und resigniert zu dem Schluss kam, dass wir uns bei einem Jahrhundert Altersunterschied wohl kaum etwas zu sagen hatten.
    Lil gegenüber behaupte ich zwar stets, dass sie mir früher als das Spukhaus aufgefallen ist, was nicht der Wahrheit entspricht. Aber es ist stimmt wirklich – und das habe ich ihr nie gesagt –, dass mir am Spukhaus vor allem eins gefällt: Dort habe ich sie kennengelernt.

    Dan und ich verbrachten den Tag damit, dass wir durch das Spukhaus fuhren und Skripte für die Mitspieler im Netz entwarfen, die wir zu rekrutieren hofften. Wir befanden uns in einem derart kreativen Rausch, dass uns die Dialoge fast schneller einfielen, als wir sie aufschreiben konnten. Mit Dan Ideen auszuhecken war der tollste Zeitvertreib, den ich mir vorstellen konnte.
    Ich sprach mich dafür aus, unseren Plan im Netz sofort publik zu machen, um bei unserem Kernpublikum Begeisterung und Zustimmung zu wecken, aber Lil war dagegen.
    Sie wollte sich in den nächsten Tagen bemühen, die anderen Ad-hocs behutsam auf unsere Seite zu ziehen, und um Unterstützung für unser Projekt werben. Auf keinen Fall wollte sie den Eindruck erwecken, wir hätten uns über die Köpfe der übrigen hinweggesetzt, was man uns sicher nachsagen würde, wenn wir Außenstehende ohne Rücksprache mit dem Ad-hoc in die Sache einbezogen.
    Mit den Ad-hocs zu reden und sie von etwas zu überzeugen – diese Kunst habe ich nie recht gemeistert. Dan war gut darin, Lil auch, aber ich war wohl stets zu selbstbezogen, um nennenswerte diplomatische Fähigkeiten zu entwickeln. In jüngeren Jahren hat es vermutlich daran gelegen, dass ich mich für schlauer hielt als alle anderen und keine Geduld aufbrachte, geistigen
Tieffliegern in einfachen Worten Dinge zu erklären, die sie nicht von allein kapierten.
    Ich mag zwar ein heller Kopf sein, aber, ehrlich gesagt, bin ich alles andere als ein Genie. Besonders, wenn es um Menschen geht. Wahrscheinlich kommt das daher, dass ich immer schneller sein wollte als Menschenmengen. Also habe ich nie die einzelnen Personen gesehen, sondern nur die Masse – den Feind der Effizienz.
    Nie hätte ich es auf eigene Faust in den Kreis der Ad-hocs von Liberty Square geschafft. Lil bereitete mir den Weg, lange bevor wir das erste Mal miteinander ins Bett gingen. Eigentlich hatte ich angenommen, ihre Eltern würden meine besten Verbündeten bei der Integration in die Gruppe sein. Doch sie waren innerlich zu müde und zu sehr mit den Vorbereitungen auf den langen Schlaf beschäftigt, als dass sie einem Neuling wie mir viel Aufmerksamkeit geschenkt hätten.
    Lil nahm mich unter ihre Fittiche, lud mich zu Partys nach Dienstschluss ein, empfahl mich ihren Kumpanen, ließ stillschweigend Exemplare meiner Dissertation rumgehen. Und sie tat auch das Umgekehrte, hob die Stärken der Leute hervor, die sie mit mir bekannt machte, so dass ich wusste, warum sie meine Achtung verdienten, und nicht umhinkam, sie als Individuen zu behandeln. Allerdings ist mir diese Achtung in den
Folgejahren abhanden gekommen. Die meiste Zeit hing ich nur mit Lil und, nach seiner Ankunft, auch mit Dan herum und korrespondierte übers Netz mit Freunden in aller Welt. Die Ad-hocs, mit denen ich den ganzen Tag zusammenarbeitete, begegneten mir höflich, aber nicht sonderlich

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