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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Diorama nach dem anderen vorbeifuhren.
    Als ich Disney World das nächste Mal besuchte, nach Abschluss der Highschool, war ich fasziniert vom Detailreichtum, dem Prunk und der Herrlichkeit des Ganzen. Völlig überwältigt verbrachte ich dort eine ganze Woche und grinste über beide Ohren, während ich von Ecke zu Ecke schlenderte. Eines Tages, daran hatte ich keine Zweifel, würde ich hier leben.
    Der Park wurde für mich ein Prüfstein, eine Konstante in einer Welt, in der sich alles veränderte. Ich besuchte den Park immer wieder, fand hier zurück zu mir selbst, wurde eins mit all den Menschen, die ich einmal gewesen war.
    Am Tag meiner späten Heimkehr zog ich hastig von Land zu Land, von einem Fahrgeschäft zum anderen und musterte dabei die kürzeren Schlangen – das Auge des Hurrikans, der durch
den Park tobte und ihn bis an die Grenzen seiner Kapazität trieb. Ich suchte mir einen erhöhten Standort, stieg auf eine Bank oder kletterte auf einen Zaun, verschaffte mir einen Überblick über alle Schlangen in Sichtweite, versuchte vorherrschende Strömungen in der Menge auszumachen, ging ganz in meinen Beobachtungen auf. Ehrlich gesagt, vertat ich wahrscheinlich ebenso viel Zeit mit dem Ausspähen der Eingänge, wie ich sonst damit verbracht hätte, mich brav anzustellen, aber ich hatte mehr Spaß dabei und bewegte mich mehr.
    Das Spukhaus erlebte gerade eine kleine Flaute: Auf dem Weg ins Fantasyland war die Snow Crash -Prunkparade soeben durch Liberty Square gerauscht und hatte Horden von Gästen mitgezogen, die zu den JapRap-Klängen des komischen Sushi-K tanzten und die Bewegungen des tapferen Hiro Protagonist nachäfften. Als die Parade durch war, blieb Liberty Square als Geisterstadt zurück. Also ergriff ich die Gelegenheit beim Schopfe und fuhr fünfmal hintereinander durch das Spukhaus, um mich jedes Mal gleich wieder anzustellen.
    Lil gegenüber behaupte ich immer, ich hätte erst sie und dann das Spukhaus bemerkt, aber tatsächlich war es umgekehrt.
    Während der ersten beiden Fahrten war ich froh über die rabiate Klimaanlage und das angenehme Gefühl von trocknendem Schweiß auf
meiner Haut. Erst beim dritten Mal wurde mir bewusst, wie verdammt abgefahren das ganze Ding war. In dem ganzen Gebäude war kein Stück Technik eingesetzt worden, das moderner war als ein Filmschleifen-Projektor, aber es war alles so raffiniert aufeinander abgestimmt, dass man wirklich glaubte, sich in einem Spukhaus zu befinden: Die Gespenster, die durch den Ballsaal wirbelten, waren tatsächlich Gespenster, dreidimensional, ätherisch und trügerisch. Die Gespenster, die in einem komischen Tableau auf dem Friedhof sangen, waren genauso überzeugend, äußerst witzig und zugleich unheimlich.
    Bei meiner vierten Fahrt bemerkte ich schließlich auch die Details , die feindseligen Augen, die ins Muster der Tapeten eingearbeitet waren – ein Motiv, das auch von den Zierleisten, den Leuchtern und der Fotogalerie aufgegriffen wurde. Ich begann den Text der Grim Grinning Ghosts herauszuhören, ein Lied, das während der ganzen Fahrt wiederholt wurde, ob in unheimlichen Orgeltönen, die das Hauptthema troppo troppo aufnahmen, oder im gespenstischen Gesang der vier musikalischen Büsten auf dem Friedhof.
    Es war eine einprägsame Melodie, die ich bei meiner fünften Fahrt mitsummte, wobei mir diesmal auch auffiel, dass nicht etwa die Belüftung zu stark eingestellt war, sondern der kalte Hauch, der durch die Räume strich, in Wirklichkeit
von ruhelosen Geistern stammte, die auf diese Weise ihre Gegenwart kundtaten. Als ich nach der fünften Runde ausstieg, pfiff ich die Melodie vor mich hin und improvisierte dabei ein Jazz-Solo mit wechselnden Rhythmen.
    Und dabei stieß ich auf Lil, die gerade eine Eiscremeverpackung aufhob. Ich hatte an diesem Tag schon ein Dutzend Ensemblemitglieder Müll einsammeln sehen, so oft, dass ich unwillkürlich selbst damit angefangen hatte. Sie lächelte verstohlen, als ich in die nach Desinfektionsmitteln und frittierten Speisen riechende Luft des Parks hinaustrat, die Hände in den Taschen vergraben, froh darüber, dass ich ein wirklich exzellentes Kunstwerk voll und ganz hatte genießen können.
    Ich erwiderte ihr Lächeln, weil ich es nur für natürlich hielt, dass eine der Woppel-Königinnen, die das Privileg genossen, dieses Stück göttlicher Unterhaltung zu pflegen, bemerkte, wie sehr ich ihre Arbeit schätzte.
    »Das ist die Bitchun Society in Aktion«, sagte ich zu ihr und bewunderte die

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