BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
er Sein Wort in gedruckter Form unters Volk brachte.
Vielleicht war es aber auch nur Zufall.
Moses Pray war es egal. Er war einfach nur froh, als es vorbei war und die Wirklichkeit ihn wieder willkommen hieß.
Als weit vor ihm, wo das tintige Blauschwarz des Himmels und das schmutzige Gelb der Getreidefelder an einer fast sichtbaren Linie aufeinandertrafen, sich ein Stück rechts der Straße kantige Buckel gegen die brodelnden Wolken abzeichneten.
Aber erst nach einer weiteren Meile gestattete sich Moses Pray, erleichtert durchzuatmen. Erst dann nämlich war er sicher, dass es sich bei den dunklen Erhebungen dort vorne auch tatsächlich um das handelte, was er darin vermutet hatte – die Dächer von Häusern.
Und nicht etwa um geduckt am Boden kauernde Monstren, die auf bedauernswerte Menschen lauerten, die sich zu ihrem Pech hinter die Wirklichkeit verirrt hatten...
Moses Pray hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als er ihm auch schon furchtbar albern vorkam. Und er schämte sich regelrecht vor sich selbst ob all der Horrorvisionen, die seine Phantasie eben noch vor seinen Augen heraufbeschworen hatte.
Wie hatte er sich nur selbst dermaßen zum Idioten machen können?
Pray lachte trocken auf und erschrak ein kleines bisschen, als er feststellte, dass der Laut in seinen Ohren unsicher klang. So, als müsste er mit dem Lachen ein leises Stimmchen in sich, das ihm hartnäckig einflüstern wollte, dass es eben
noch nicht
vorbei wäre, vollends von der Absurdität all der Gedanken über 'unwirkliche Wirklichkeiten' überzeugen...
Die Ansiedlung dort vorne bestand aus allenfalls vier Handvoll Häusern, und sie lag nicht unmittelbar am Highway. Eine staubige Piste zweigte davon ab und führte zu dem Dorf hin.
Pray lenkte den Ford in die Einmündung, an der kein Schild oder sonstiger Hinweis auf die Ortschaft zu entdecken war. Ein solches sah Pray erst, als er das Städtchen, das diese Bezeichnung nicht wirklich verdiente, fast schon erreicht hatte.
Auf eine aus unterschiedlich langen Brettern zusammengenagelte Tafel, die schief an einem mannshohen Pfosten neben der Straße hing, hatte jemand den Ortsnamen gepinselt – der Leserlichkeit nach zu urteilen vor 100 oder 150 Jahren:
DEADHORSE
Darunter hatte irgendwann einmal die Einwohnerzahl gestanden. Doch dieser Hinweis war im Laufe der Zeit so oft durchgestrichen und auf den aktuellen Stand gebracht worden, dass inzwischen keine einzige der Zahlen mehr zu entziffern war.
Pray nahm etwas Gas weg und ließ den Wagen fast im Schritttempo an den ersten Häusern vorüberrollen. Und ohne dass er sich wirklich in Deadhorse umgesehen hatte, drängte sich ihm ein Gedanke auf, und fast gleichzeitig kam er ihm über die Lippen.
»Eine Geisterstadt...«
Als wäre der Klang seiner eigenen Stimme der Auslöser, spürte Moses Pray, wie sich ihm die Haut im Nacken zusammenzog und dann am ganzen Körper spannte, als wäre sie ihm um mindestens zwei Nummern zu klein geworden.
Der tatsächliche Grund dafür mochte allerdings sein, was sein Unterbewusstsein längst registriert hatte und was ihm erst jetzt wirklich auffiel.
Da war zum einen die Tatsache, dass, soweit er sehen konnte, keine Menschenseele zu entdecken war. Das konnte man als Zufälligkeit abtun, wenn man die Augen vor allen anderen Auffälligkeiten verschloss. Vor der beispielsweise, dass auch kein Fahrzeug zu sehen war. Oder der, dass sämtliche Fenster ringsum aussahen wie mit Staub regelrecht beklebt.
Die Häuser, sie erinnerten in Bauart und Anordnung an eine alte Westernstadt und machten auf Pray allesamt einen unbewohnten Eindruck, ohne dass er zu sagen wusste, woher dieser Eindruck rührte. Kleinigkeiten mochten ihn erwecken – hier eine zersprungene Fensterscheibe, dort eine krumm in den Angeln hängende Tür...
Aber auch der gewitterdunkle Himmel trug sein Scherflein zu der unheimlichen Atmosphäre bei. Gierig schien er alles Licht aufzusaugen, um düsteren Schatten Raum zu schaffen, die Deadhorse einnahmen wie eine körperlose Armee. Sie bezogen Posten hinter Ecken und unter Vordächern und starrten zu Moses Pray herüber – aus Augen, die sie nicht haben
konnten
, deren Blicke er aber aller Vernunft zum Trotz wie die Berührung eisiger Finger auf seiner Haut spürte.
Auf halber Strecke zum Ortsende stoppte Pray den Ford Kombi mitten auf der Main Street. Etwas in ihm drängte ihn, weiterzufahren und bloß nicht auszusteigen. Aber im gleichen Maße, wie er vorhin noch vor diesem tonlosen
Weitere Kostenlose Bücher