BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Himmel.
Flatternd wie –
– eine Fledermaus?
Ein Lächeln erschien auf den bleichen Lippen des alten Mannes.
Und es verschwand und machte einem erschrockenen Zug Platz, als das Tier dort oben plötzlich zuckte und aufkreischte, so schrill, dass nur jemand wie der alte Mann es hören konnte.
Für Sekunden kam ihm die Fledermaus wie an den kupferigen Himmel genagelt vor. Dann aber stürzte sie ab, fiel wie ein Stein zu Boden. Er konnte sogar den dumpfen Laut hören, mit dem sie aufschlug.
Die Stelle konnte nicht weit entfernt sein.
Hastig stand der alte Mann auf und suchte nach dem Tier.
Er fand den kleinen Körper in der Nähe des Zaunes, der sein Grundstück säumte. Reglos lag die Fledermaus im taufeuchten Gras, die Flügel ausgebreitet, und im ersten Moment hielt der alte Mann sie für tot. Doch dann bemerkte er das Zucken in der bepelzten Brust.
Erleichterung erfüllte ihn. Das Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. Ganz vorsichtig, als fürchtete er, das Tierchen zerbrechen zu können, nahm er es in beide Hände und trug es behutsam ins Haus.
Eine kleine Kiste war rasch gefunden, und der alte Mann polsterte sie mit zerrissenem Papier, Holzwolle und alten Tüchern aus, ehe er die Fledermaus hinein bettete.
Ganz sanft strich er mit einem Finger über das borstige Fell, unter dem das Herzchen sicht- und spürbar schlug.
»Wir müssen doch zusammenhalten, mein Kleines, hm?«, sagte er zärtlich und noch immer lächelnd, so glücklich wie seit Jahren nicht mehr.
Dann richtete er sich wieder auf und sagte: »So, mein kleiner Freund, ich muss dich kurz alleine lassen. Es wird Zeit für meinen morgendlichen Spaziergang.«
Es war eine Angewohnheit, die er seit Melissas Tod pflegte. Zwei- oder dreimal wöchentlich ging er hinunter in die Stadt, um ein paar Sachen einzukaufen: Lebensmittel, Dinge für den Haushalt.
Nicht, dass er all das Zeug wirklich gebraucht hätte.
Aber es galt, den Schein zu wahren.
In einer kleinen Stadt wie Salem's Lot kam schnell Gerede auf...
Im ersten Augenblick hielt Moses Pray die anderen tatsächlich für Geister.
In dem Dämmerlicht schienen ihm die Körper gestaltlos und ohne Substanz, wie aus Finsternis geschaffen, wogend und ihre Form mit jedem Schritt, den sie näherkamen, verändernd.
Erst als die Distanz auf wenige Schritte zusammengeschrumpft war, konnte Pray Konturen und schließlich auch Details ausmachen.
Und im gleichen Moment wünschte er sich, sie
wären
Geister!
Denn die Konfrontation mit 'echten' Gespenstern hätte nicht annähernd so schrecklich sein können wie dies hier!
Die Gestalten, die sich mit der Behäbigkeit uralter Greise auf Moses Pray zubewegten, boten ein Bild des Grauens, das jede zartbesaitete Natur in den Wahnsinn treiben musste. Und Pray wunderte sich, weshalb er angesichts dieses Schreckens nicht einfach umfiel oder zumindest zu brüllen begann.
Dann erst spürte er den Kloß, der wie etwas Glühendes und Stacheliges in seiner Kehle festsaß und der sich als Schrei lösen wollte, aber nicht konnte, weil
etwas
Prays Lippen regelrecht verschweißte.
Geradezu irrsinnige Gedanken rasten schmerzhaft durch seinen Kopf.
Dass Deadhorse etwas wie eine Kolonie für Aussätzige sein musste, war nur einer davon. Zugleich aber auch der, an dem er sich am längsten festklammerte. Weil jede andere – und womöglich
wahrscheinlichere
– Erklärung ihm unweigerlich den Verstand kosten musste!
Die Menschen (
Das sind keine Menschen!
brüllte die zuvor noch so leise Stimme in ihm), die den Ring um ihn enger und enger zogen, sahen aus, als wären sie von einer furchtbaren und womöglich namenlosen Krankheit befallen. Einer Krankheit, die ihre Körper schier verwüstete und deren grausamster Aspekt doch etwas völlig anderes war: die Tatsache nämlich, dass sie ihre Opfer nicht mit dem Tod erlöste. Zumindest nicht in diesem Stadium, von dem Pray sich keine Steigerung auch nur
vorstellen
konnte.
Diese Männer und Frauen sahen aus und rochen, als würden sie bei lebendigem Leibe verfaulen. Und es war ein grausames Wunder, dass ihre Leiber sich noch aus eigener Kraft aufrecht hielten.
Pray glaubte über dem Rauschen des Regens zu hören, wie ihr schwärendes Fleisch sich mit feuchten Lauten bewegte. Und der Gestank der verwesenden Körper rollte ihnen wellengleich voran, um über Moses Pray zusammenzuschlagen.
Vielleicht lag es daran, vielleicht aber weigerte sich sein eigener Körper auch einfach nur, noch länger durchzuhalten – auf
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