BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
auch wirklich zu verstehen.
Der schmerzhafte Druck der Klinge war mit der Finsternis gewichen. Als hätte sich sein Gegner mit ihr zurückgezogen.
Doch Baldacci wusste, dass dem nicht so war. Die Klinge, sie war ebenso nicht wirklich existent wie die Fäuste und Füße, die ihn traktiert hatten. Die Angriffe wurden von bloßer Geisteskraft getrieben und geführt. Und eben diese Kraft war das einzige Mittel, mit dem man sich ihrer erwehren konnte.
Eine Kraft, die Raphael Baldacci nicht im ausreichenden Maße aufgebracht hatte. Und deshalb wäre er jetzt...
... tot ... tot ... tot ..
., flüsterte der Fels noch immer.
»Ich weiß«, flüsterte Baldacci, während der Blick seiner fast schwarzen Augen zum jenseitigen Ende des gewaltigen Raumes wanderte und die Gestalt traf, die dort stand – reglos, als wäre sie selbst aus dem Fels heraus gemeißelt. Nur an den Schläfen des Mannes war Bewegung auszumachen, wo Adern vor Konzentration fast fingerdick angeschwollen waren und auch jetzt noch, da der Kampf vorüber war, pulsierten.
»Dies scheint nicht meine Art des Kampfes zu sein«, fuhr Raphael Baldacci fort und ging auf den anderen zu, der sich zusehends aus seinem tranceartigen Zustand löste.
»Ein Gesandter muss viele Wege beschreiten. Und er muss auf jedem bestehen können«, erwiderte der Mann, der in ein schmuckloses, kuttenähnliches Gewand gekleidet war, auf dessen dunklem Stoff in Brusthöhe ein verschlungenes Symbol zu sehen war.
»Vielleicht ist der mir bestimmte Weg nicht der eines
Gesandten
«, sagte Baldacci, und in seinen Worten schwang der Trotz des widerspenstigen Jungen, der er bis vor gar nicht allzu langer Zeit noch gewesen war.
»Oh, doch, das ist er.«
Im ersten Moment glaubte Raphael Baldacci, sein Lehrer hätte 'geredet', ohne die Lippen zu bewegen. Erst dann drang ihm das harte Klicken, das entstand, wenn Metall den Felsboden berührte, ins Bewusstsein, und er hätte sich weder umdrehen noch die Stimme erkennen müssen, um zu wissen,
wer
da gesprochen hatte.
Das Klicken des Gehstocks war so etwas das Erkennungszeichen des Mannes, der seiner augenscheinlichen Unauffälligkeit zum Trotz vielleicht der Geheimnisvollste von allen war.
Auf den Knauf seines Stocks gestützt stand er in einem der Zugänge zu diesem Raum und taxierte Raphael Baldacci. Amüsement über den Eigensinn des jungen Mannes und sorgenvolle Ernsthaftigkeit worüber auch immer hielten sich in seinen Zügen die Waage.
»Aber...«, wandte Baldacci ein.
Doch der andere stoppte ihn mit einem kaum merklichen Heben der Hand.
»Du wirst diesen Weg gehen.«
»Ich...«, setzte Baldacci von neuem an.
Diesmal wurde sein Einwand ohne jede Geste ignoriert. Der andere sprach einfach weiter: »Und dein Weg beginnt –«
Er setzte eine winzige Pause, die ihre Wirkung jedoch nicht verfehlte. Jeder Laut schien sich aus dem Felsraum zu verflüchtigen.
»– heute.«
Sekundenlang herrschte vollkommene Stille. Raphael Baldaccis Lippen bewegten sich, ohne auch nur den geringsten Ton hervorzubringen. Und schließlich war es sein Lehrmeister, der das Schweigen brach. Mit einer Heftigkeit in der Stimme, die Baldacci nie in dem sich stets zurückhaltend und bedächtig äußernden Mann vermutet hätte.
»Es ist zu früh, Salvat! Viel zu früh!«
Der als Salvat Angesprochene wandte sich dem Kuttenträger zu. Jede Spur stiller Belustigung war aus seinem Gesicht verschwunden und hatte sorgenvollem Ernst Platz gemacht. Und Baldacci, der seit jeher Mühe gehabt hatte, Salvats Alter zu erraten, hätte seine Schätzung in diesem Augenblick ohne zu zögern in den oberen Bereich der Skala zwischen 40 und 60 verlegt.
»Im Gegenteil, Adrien, mein Freund«, sagte Salvat leise, »es könnte leicht zu spät und alles verloren sein, wenn ich ihn jetzt nicht als Gesandten losschicke.«
Adrien mäßigte die Lautstärke seines Tonfalls und sprach nun beinahe flehend, in jedem Fall aber eindringlich weiter: »Salvat, er ist noch nicht soweit. Wer weiß, was geschieht, wenn...«
»Ich weiß, was geschieht, wenn wir ihn
nicht
auf seinen Weg bringen!«
Jetzt war es Salvat, dessen Stimme bebte. Und niemand schien erschrockener über seine Unbeherrschtheit als er selbst. Er gewann zwar das unmittelbar folgende Ringen um Fassung, aber er war unübersehbar überrascht, dass es überhaupt notwendig war.
Raphael allerdings schenkte diesem seltenen Erlebnis, Salvat die Beherrschung verlieren zu sehen, kaum Aufmerksamkeit. Er war viel zu sehr damit
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