BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
jeden Fall sank Pray in die Knie. Er fing seinen Sturz ab, so dass er nicht völlig in dem Morast landete, in den der Regen die staubige Straße mittlerweile verwandelt hatte.
Als Wärme sich über seine Hände breitete, brauchte Pray ein paar Sekunden, ehe er merkte, dass sie von seinem eigenen Erbrochenen herrührte.
Die Schritte um ihn her verstummten. Doch das Stöhnen und Ächzen riss nicht ab.
Pray versuchte sich zu weigern, den Blick zu heben. Aber er spürte etwas wie eine unsichtbare Hand unter seinem Kinn, deren Druck er sich nicht widersetzen konnte.
Die Laute, die sich über seine bebenden Lippen drängten, standen dem ihn umwehenden Chor kaum nach.
Er sah auf und blickte in bleiche Gesichter über ausgemergelten Körpern. Er sah Haut, die an uraltes Leder erinnerte und stellenweise zerrissen war, und dunkles Fleisch, das sich von den Knochen schälte.
Und er sah – Zähne.
Fast fingerlang kamen sie ihm vor und nadelspitz. Wie kleine, aus Elfenbein gefertigte Dolche ragten sie aus beinahe schwarzen Kiefern.
Und sie wuchsen!
Jedenfalls war es das, was Moses Pray zuallererst glaubte.
Bis er merkte, dass sie 'nur' näherkamen.
Als die anderen sich zu ihm niederbeugten.
Die
anderen
...
Pray stieß ein kieksendes Geräusch aus, das, wäre die Situation auch nur ein wenig anders gewesen, komisch geklungen hätte.
Die Erkenntnis, dass er es hier mit etwas völlig anderem als Aussätzigen zu tun hatte, hatte sich mit Brachialgewalt Einlass in sein Bewusstsein verschafft. Für die Frage, ob es
möglich
war, ob es Wesen wie diese überhaupt
geben
konnte
, war unter diesem Ansturm weder Zeit noch Raum gewesen...
Dann, endlich, löste sich der schmerzende Klumpen aus seiner Kehle.
Moses Prays Schreie brachen sich an den Wänden der Häuser ringsum und degradierten das Prasseln des Regens zu etwas sehr Fernem und sehr Leisem.
Sie veränderten sich ein kleines bisschen, als neben Entsetzen auch Schmerz zu ihrer Triebkraft wurde.
Und sie verebbten schließlich, als nur noch Schmatzen und Schlürfen in Deadhorse zu hören waren.
Doch auch diese Laute wurden nach einer Weile von anderen abgelöst.
Von würgenden Schreien, von qualgeborenem Ächzen und Stöhnen.
Vom selbst intonierten Grabgesang einer sterbenden Rasse...
Heaven erwachte.
Nicht weil es an der Zeit gewesen wäre oder sie sich ausgeruht fühlte.
Sondern weil Schmerz sie weckte.
Es schien keine Stelle ihres Körpers zu geben, die nicht wehtat.
Das Zentrum des Schmerzes konzentrierte sich auf ihre Brust. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr ein glühender Nagel vom Durchmesser eines Kinderarms ins Herz getrieben worden, und automatisch wollte sie danach greifen, um ihn herauszuziehen.
Doch sie konnte es nicht. Die Bewegung gelang ihr nicht einmal im Ansatz. Weil –
– sie keine Hand besaß!
Und der Flügel einer Fledermaus war zum Greifen nun einmal denkbar ungeeignet...
Und dann brach die Erinnerung in ihr empor wie Lava aus einem Vulkan.
Sie erinnerte sich an die Ereignisse in jenem Nonnenkloster, zu dem Vampire in Scharen gepilgert waren. Heaven war ihnen gefolgt, und vor Ort hatte sie neben den Schwestern und den Blutsaugern einen Säugling vorgefunden, der, so vermutete sie, Opfer der Vampire hatte werden sollen.
Sie hatte ihn retten wollen, doch eine der Nonnen war mit dem Kind verschwunden. Die Vampire, von jener rätselhaften Seuche gezeichnet, die die Alte Rasse befallen hatte, waren daraufhin zu Staub zerfallen. Und auch die übrigen Nonnen waren gestorben.
Heaven hatte dort nichts mehr ausrichten können. Und da sie seit den Ereignissen am Anfang der Zeit sich nicht länger von menschlichem, sondern von
vampirischem
Blut ernährte, hatte sie sich zwangsläufig auf die Suche nach einem 'Opfer' machen müssen. Ohne die Fähigkeit, Angehörige der Alten Rasse erspüren zu können, war ihr nichts übriggeblieben, als zunächst dorthin zurückzukehren, wo sie noch lebende Vampire wusste: nach New York.
In ihrer Fledermausgestalt hatte sie sich auf den Weg gemacht und war geflogen, bis...
Ja, bis...?
Der Schmerz explodierte förmlich in Heavens Brust, als ihre Gedanken diesen Punkt der Erinnerung erreichten!
Unter ihr waren im Licht des anbrechenden Tages die Häuser einer kleinen Stadt aufgetaucht, die in der Nähe eines Sees lag.
Und dann hatte es sie getroffen!
Wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel.
Und er hatte sich ihr mitten in die Brust gebohrt.
Als wäre sie
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