BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Trauer fertig zu werden!
Verschwindet aus diesem Haus!
«
Spätestens in diesem Augenblick begriff Heaven, dass sie es nur mit
einem
Kind zu tun hatte.
Denn David war kein Kind mehr. Mit seinen zwölf Jahren bewies er eine erstaunliche Reife, die Heaven beschämte.
Es ist Wahnsinn,
wandten sich ihre Gedanken wieder Anums Vorhaben zu, einen neuen Versuch mit dem Kelch zu wagen, obwohl alle bisherigen in neuerer Zeit fehlgeschlagen waren – teilweise mit katastrophalen Ergebnissen.
Der pure Wahnsinn! Ich darf es nicht zulassen!
Noch während sie dies dachte, wusste sie, dass sie ihn verlieren würde, wenn sie sich in diesem Punkt gegen ihn stellte.
War es das wert?
Aber was war eine
Beziehung
wert, in der ein Partner die Prinzipien des anderen mit Füßen trat?
»Das geht nicht«, ging sie mit leiser Stimme auf Davids Gefühlsausbruch ein. »Noch nicht.«
Rahel schwieg, sah nur stumm zu ihr auf. Als ihr Bruder verbittert schwieg, zog sie ihre Hand aus der Tasche und zeigte Heaven eine Münze.
»Wo hast du das her?«
Rahel zuckte die Achseln.
»Darf ich sie mir ansehen?«
Und während Heaven die Hand ausstreckte, versuchte sie zu ignorieren, dass der Anblick der beiden Menschen vor ihr nicht nur ein Schutzbedürfnis in ihr weckte, sondern auch etwas... Dunkleres.
Nein!
Sie wusste, welch abnormes anderes Bedürfnis sie mit Anum gemeinsam hatte: den Durst nach Blut. Sie brauchte es ebenso zum Überleben wie er. Und auch aus sehr viel niedrigeren Gründen, zum Erhalt ihrer Schönheit nämlich...
Ich stehe den Menschen nicht näher als ihm,
dachte sie.
Ich darf mir nichts vormachen. Auch die CHRONIK, auch Beth' Erinnerungen ließen keinen Zweifel daran, dass ich nie in ihrer Welt akzeptiert wurde. Ich war immer ein Fremdkörper, und daran wird sich nie etwas ändern. Warum fällt es mir dann trotzdem immer noch so schwer, Farbe zu bekennen? Schwarz, nicht Weiß ist meine Farbe...
Und doch weigerte sie sich, eine Bestie in sich zu sehen.
Einen Bastard, ja. Einen Bastard, der sich unter Mensch
und
Vampir hatte behaupten müssen, in keiner dieser beiden Umgebungen aber eine Heimat gefunden hatte.
Doch wenn Anums Vision sich erfüllen sollte, wenn unter seiner Ägide tatsächlich eine Welt entstand, über die er mit ihr gemeinsam herrschen würde, dann –
– dann vielleicht würde auch sie sich endlich ein wenig
zu Hause
fühlen können. In der Hohen Zeit. Dem enttechnisierten Zeitalter, von dem er ihr erst kürzlich geradezu schwärmerisch erzählt hatte!
Rahel verbarg die Münze in ihrer kleinen Faust. Ein störrischer Zug trat in ihr Gesicht, in dem die Augen den Blick wie zwei strahlend erleuchtete Fenster auf sich zogen. Lockiges, blauschwarzes Haar unterstrich ihren dunklen Teint.
Sie wird einmal eine rassige Schönheit werden,
dachte Heaven.
Wenn sie die Chance dazu erhält.
»Du willst sie mir nicht zeigen?«
»Nein.« Es klang entschieden.
»Ich will sie mir nur ansehen. Du bekommst sie sofort zurück. Woher hast du sie? Die Münze scheint uralt...«
»Ich habe sie gefunden. Jetzt ist sie meine.«
»Ich will sie dir nicht stehlen.«
Rahel zögerte. Dann legte sie die Münze in Heavens geöffnete Hand.
Es war ein antiker Silberling.
»Wo hast du das gefunden?«
»Unter dem Schutt. Neben...« Rahels Stimme erstickte.
Als Tränen die Wangen des Mädchens herabrollten, wurde Heaven klar, was es hatte sagen wollen. »Bei deinen Eltern?«
Rahel nickte stumm.
»Wie viele waren dort?«
»Ein... ganzer Beutel...«
»Dann besitzt du jetzt einen richtigen Schatz.«
»Ich habe nur... zwei... genommen.«
»Nur zwei? Warum?«, Heaven drehte die Münze, die auf der Rückseite ein Gesicht zeigte. Es stellte einen Römer dar.
»Weil ich... Angst bekam.«
»Angst? Dass sie dir weggenommen werden könnten?«
Rahel schüttelte den Kopf.
»Wovor dann?«
»Angst vor den... vor den
Münzen
. Sie sprachen zu mir. Sie drohten mir mit Verdammnis, wenn ich
alle
nähme. Einer hat es vor langer Zeit getan. Sein Name war Judas...«
Ohne etwas dagegen tun zu können, überlief Heaven ein kalter Schauder.
Das Gewicht der Münze war ungeachtet der wirren Worte ungewöhnlich hoch. Ganz unangemessen... Und noch während sie zu diesem Befund kam, hatte sie das absurde Gefühl, dass sie von etwas Fremdem ebenso genau abgewogen wurde, wie
sie
es gerade mit dem Geldstück in ihrer Hand tat.
Fröstelnd gab sie die Münze an das Mädchen zurück.
Rahels Züge blieben angespannt, als hätte sie gleichermaßen
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