BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Schwester.
»Nein«, sagte er, ohne Heaven anzusehen. »Erst wenn sie
beide
getauft sind, werde ich abwarten. Dann werden wir beide darauf warten, dass sie sich wieder erheben. Und wir beide werden auch bei ihnen bleiben, bis sie die nötige Reife erlangt haben, um auf eigenen Füßen zu stehen. – Es wird nicht lange dauern.«
Nein,
dachte Heaven.
Vampire wachsen schnell aus ihren Kinderschuhen.
Sie horchte in sich hinein, um herauszufinden, welche Gefühle der Anblick Davids in ihr weckte.
Sie war am Tod des Jungen ebenso schuldig wie Anum, der ihm den Trunk eingeflößt hatte.
Schuldig? Sie musste aufhören, in diesen menschlichen Mustern zu denken!
Anum zerrte Rahel auf die Beine. Sie wirkte apathisch.
Heaven dachte etwas, woran das Mädchen in diesem Augenblick sicherlich keinen Gedanken verschwendete:
Jetzt ist nur noch sie übrig. Sie ist die letzte ihrer Familie. Die letzte Chaim.
Die barbarische Taufe würde auch ihr Leben beenden. Vielleicht für immer.
Heaven zweifelte plötzlich wieder stärker, die Zeichen
im
Kelch richtig verstanden zu haben. Die ursprüngliche Macht und Magie darin war von etwas vergiftet, das ihr nicht wirklich nahestehen konnte. Sie fühlte sich in keiner Weise damit verbunden.
Unschlüssig verfolgte Heaven Anums Tun. Er zelebrierte den Akt der Taufe nicht, wie er es in tausend Jahren unzählige Male als Hüter getan hatte – er
praktizierte
ihn einfach. Ohne Zeit zu verschwenden. Ohne auf das leise Wimmern des Mädchens zu achten oder sich von der geringen Gegenwehr irritieren zu lassen.
Heavens Blut strömte auch in Rahels Mund.
Sie riss die Augen auf. Ihr Blick schien Heaven verschlingen zu wollen, als sähe sie in ihr die Alleinschuldige an ihrem nun nicht mehr abwendbaren Schicksal.
Und dann sackte in sich zusammen.
Haltlos und stumm wie ihr Bruder.
Der sich im selben Augenblick zu erheben begann!
Ein so enttäuschter Laut rann aus Anums Mund, dass Heaven nicht anders konnte: Sie musste hinter ihn treten und ihre Arme um ihn schlingen – im vergeblichen Versuch, ihm Trost zu spenden.
Die Überwindung, zu dem
Jungen
hinzueilen, brachte sie nicht auf, obwohl David ihren Beistand höchstwahrscheinlich nötiger gehabt hätte.
»Allmächtiger...«
Anum krümmte sich in Heavens Umarmung. Er hielt immer noch den Stiel des Lilienkelchs umklammert. Ein Rest von Blut schimmerte darin.
Als Heaven es sah, überkam sie Ekel vor sich selbst.
»Siehst du jetzt ein, dass nichts und niemand den Kelch je wieder zum Funktionieren bringen wird?«
Sie erhielt keine Antwort, nahm das Geschehen selbst nur den Wirbel ihrer Gedanken hindurch wahr!
Ihr wurde schlecht.
Was habe ich getan?
Anum hatte ihr beschrieben, was auf seiner Reise nach Uruk, im Abteil eines von ihm vereinnahmten Zuges beim Versuch einer Kelchtaufe mit dem dortigen Täufling geschehen war.
Gleiches begann sich auch hier abzuspielen!
Etwas, das grauenhaft anzusehen war, zumal David seine Augen wieder geöffnet hatte und all das Entsetzliche, das ihm widerfuhr, bei vollem Bewusstsein durchzumachen schien!
»Hilf... mir...«, krächzte er in Richtung seiner Schwester.
Als er erkannte, dass sie ihm nicht mehr helfen konnte, weil auch sie bereits der Heimtücke ihrer Peiniger zum Opfer gefallen war, presste er die Lippen zu einem einzigen dünnen Strich zusammen.
Im Gegensatz zu ihm hatte Rahel die Finsternis des Todes noch nicht wieder abgestreift – und nur deshalb auch noch nicht das Stadium ihres Bruders erreicht...
Heaven begriff, dass in Wirklichkeit sie Halt an Anum suchte, nicht umgekehrt. Der Mann, an den sie sich klammerte, nahm den sichtbar gewordenen Prozess nach Überwindung seiner Enttäuschung fast ungerührt hin.
»Wir haben immer noch sie«, sagte er leise und ohne mit einem Wort auf das Verblassen des Jungen einzugehen, der vor ihren Augen zum Geist wurde; zum Gespenst, das jeden Halt in dieser Welt verlor.
»Was soll das heißen?«, fauchte Heaven ihn an. Noch einmal bemühte sie sich, die nötige Kraft aufzubringen, zu David zu laufen. Selbst wenn sie keine Chance hatte, ihm zu helfen, so musste sie es doch wenigstens versuchen – um ihretwillen!
»Das soll heißen, dass es vielleicht nur bei
Frauen
funktioniert. Bei dem Geschlecht, dem du angehörst, dem meine Mutter angehörte und auch die deine: Creanna. Es wäre denkbar... Nun, wir werden es wissen. Bald...«
In diesem Moment hätte Heaven geschworen, ihn zu hassen. Ihn mehr, viel mehr zu hassen als zu... lieben!
Der
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