BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
andere auch gegen deren Willen mit sich nehmen konnte – in die Parallelwelt, die sein Volk die »Traumzeit« nannte. Wo die Gesetze der diesseitigen Welt keine Gültigkeit besaßen.
Und das schauerliche Geheul, das wie zäher Schleim aus Chiyodas Maul troff, verriet, dass dies auch ihm bewusst geworden war...
Die Magd stampft Butter und fährt sich von Zeit zu Zeit über das von Holzspangen gehaltene Haar. Sie ist früh aufgestanden. Sie hat Feuer im Herd gemacht und das Wasser im Kessel erhitzt. Dann ist sie in den Stall gegangen, hat ihn ausgemistet und die Tiere versorgt.
Sie ist nicht hübsch. Trotzdem greift Vater ihr manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlt, unter den Rock oder hebt ihn an, um sich zu bücken und mit dem Gesicht darunter zu verschwinden.
Mutter ist drall, unsere Magd hat kaum etwas auf den Rippen. Außer dort, wo auch ich meine Blicke gern verweilen lasse. Wenn sie sich bückt, fallen ihre Brüste wie reife Birnen aus dem Ausschnitt ihrer Bluse. Wenn dies geschieht, wendet sie sich verschämt ab und bringt das Malheur wieder in Ordnung. Wenn Mutter es bemerkt, hagelt es Beschimpfungen. Vater schweigt und leckt sich die Lippen. Ich weiß, woran er denkt.
Wenn ich durch das Fenster blicke, sehe ich den tiefhängenden Winterhimmel. Grau umgibt unser Haus, den Stall, die Gesindeunterkunft und die Scheune.
Unser Gehöft erhebt sich wie ein Eiland aus einem gischtweißen Ozean.
Die Gischt ist Schnee.
Dieser Monat, so kurz nach Jahresbeginn, ist eisig und der Frühling noch so unvorstellbar fern, dass man meint, kein Mensch in diesem Landstrich würde ihn je wieder erblicken.
Ich sitze neben dem Ofen und wärme mich, denn ich fühle mich elend. Mich plagen Husten und Schnupfen und Kopfweh. Aber niemand kümmert es. Mutter stopft Löcher in den Lumpen, die unsere Kleider sind. Vater raucht und starrt ins Leere. Der einzige Knecht, den wir noch haben, ist unterwegs zu unserem Nachbarn, um etwas Trockenfleisch von ihm zu leihen. Das unsere ist ausgegangen. Es war nicht viel.
Ich glaube, wir sind arm. Vater und Mutter reden nicht darüber, aber ich habe gehört, wie unser Gesinde sich darüber sorgt, dass es keinen Lohn mehr erhält und jetzt auch noch Hunger leiden muss.
Die Kühe im Stall geben bei dieser Witterung kaum Milch, die Hühner legen nicht. Aber schlachten will sie trotzdem keiner. Womit sollten auch neue bezahlt werden, hat unser Knecht gefragt. Und die Magd hat nur bekümmert auf die Hand gestarrt, die unter ihrem Kleid verschwunden ist.
Ich weiß nicht, ob es ihr gefällt. Ich weiß nur, dass es mich um den Verstand bringt. Allmächtiger. Alles ist so anders geworden. Ich weiß nicht, wie mir geschieht. Seit ein paar Nächten verschaffe ich mir selbst Erleichterung von meinen Phantasien. Früher habe ich nicht einmal bemerkt, was um mich herum an solchen Dingen vorgeht. Ich hatte Vater und Mutter und kannte das Gesinde, aber ich unterschied nie zwischen Mann oder Frau, hübsch oder hässlich...
Es ist anders geworden.
Ich
bin anders geworden.
Und es quält mich. Es raubt mir den Schlaf.
Vater setzt die Pfeife ab, klopft sie über dem Feuer aus und nickt der Magd zu, die im Buttermachen innehält. »Wenn du fertig bist, komm in den Stall. Eine der Kühe hat sich die Krätze am Vorderlauf eingefangen. Wir müssen sie säubern und einschmieren...«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, verlässt er das Haus. Eisiger Wind wirbelt Schneeflocken herein und streift uns mit frostigem Atem. Ich zucke zusammen. Mutter reagiert nicht. Und die Magd treibt den Kolben des Butterfässchens wieder ein und aus, so dass ich mir wünschte, es wäre meiner, der so hart und vernehmlich zwischen meinen Schenkeln pocht.
Kurz darauf folgt die Magd meinem Vater, und es dauert lange, bis sie beide zurückkehren. Die Wangen der Magd glühen. Mein Vater flucht und macht Mutter Vorwürfe, weil das Essen – Reis mit zerlaufener Butter – noch nicht auf dem Tisch steht.
So geht es weiter den ganzen Tag.
Abends klettere ich in meine Koje, durch deren winziges Fenster ich die Sterne funkeln sehe. Wie klar die Nacht nach dem Grau des vergangenen Tages ist!
Unbewusst schiebe ich meine Hand in die Hose und streichele mich, wo es mir wohltut. Es braucht nicht viel, um den Stoff von innen zu nässen. Seufzend sinke ich zurück und falle trotz der Stimmen und Geräusche, die das Haus noch erfüllen, in einen tiefen Schlaf.
Ich weiß nicht, ob und was ich geträumt habe. Als ich wach werde, ist es
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