BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
ihr
hereingeworfen
.
Vor Entkräftung schwindelte ihr. Sie kämpfte um ihren Gleichgewichtssinn.
Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, was in Menschen vorging, die ohne die Unterstützung anderer zu nichts mehr fähig waren – so wie es bei ihren Opfern oft der Fall war. Nun kam sie daran nicht mehr vorbei...
Die Finger ihrer Linken stießen gegen etwas Hartes, Längliches. Sie hob es auf. Und noch während sie sich aufrecht setzte, versuchte sie herauszufinden, worum es sich handelte.
Spätestens als die scharfe Klinge in ihre Hand schnitt, ahnte sie es.
Aber für ein Messer war der daran befindliche Holzschaft zu lang. Außerdem endete er nicht glatt, sondern rau und zersplittert.
Rona erfühlte Gravuren, die sie jedoch nicht deuten konnte. Am Übergang zwischen Metall und Holz waren mehrere Federn befestigt, was auf indianische Herkunft schließen ließ.
Rona unterbrach ihre Untersuchung, richtete den Blick zu dem Fensterviereck und rief mit krächzender Stimme: »Wer... ist da? Geben Sie sich... zu erkennen! Helfen Sie mir!«
Es war sinnlos. Sie
wusste
, dass ihr niemand antworten würde.
Rona rief noch ein paarmal, bis ihr Hals vor Heiserkeit schmerzte und sie einsah, dass auch diese Versuche zum Scheitern verurteilt waren.
Das Werkzeug oder die Waffe, die man zu ihr hereingeworfen hatte, erschien ihr plötzlich wie die Aufforderung, sich damit selbst das Leben zu nehmen.
Oder wollte ihr tatsächlich jemand helfen? Warum ließ er dann nicht wenigstens von sich hören? Fürchtete er dieselben Leute, die Rona in diese Lage gebracht hatten?
Plötzlich kam ihr die Idee, dass es mit dieser Klinge vielleicht gelingen könnte, die Tür aufzubrechen.
Ohne wirklich daran zu glauben, schaffte es Rona, auf die Beine zu kommen. Die Zelle war winzig. So etwas wie
Entfernungen
existierte darin gar nicht. Mit zweit wankenden Schritten erreichte sie den vergitterten Zellenabschluss.
Auch hier war das Dunkel absolut. Rona musste Tür und Schloss ertasten. Und als sie die Klinge schließlich hinter den Riegel schieben wollte, machte sie eine Entdeckung, die sie ebenso niederschmetterte wie elektrisierte.
Die Tür war gar nicht verschlossen!
Sie gab sofort nach, als Rona sich dagegen lehnte!
Im ersten Moment wollte ein Lachen in ihrer Kehle aufsteigen. Aber Rona konnte es unterdrücken. Sie ahnte, dass es zu der schmalen Grenze geführt hätte, hinter welcher der Irrsinn lauerte.
Nein, sie war nicht verrückt! Die Zelle war verriegelt
gewesen
. Jemand musste sie unbemerkt aufgeschlossen haben. Aber wer? Und warum?
Rona schluckte krampfhaft. Absurde Hoffnung glomm in ihr auf. Ihre Beine hörten auf zu zittern. Das Chaos in ihren Gedanken lichtete sich.
Sekunden später trat sie hinaus auf den Gang und wankte bis zur Tür an seinem Ende – die sich ebenfalls ganz leicht öffnen ließ...
Weiter!
Immer weiter, während die Hysterie in ihr anschwoll. So wie die Angst. Und die Verzweiflung.
Denn in einer kleinen Kammer ihres gequälten Bewusstseins lauerte die Furcht, gleich aufzuwachen. Auf der Pritsche ihres Gefängnisses zu liegen und alles nur geträumt zu haben.
Aber der verrückte 'Traum' dauerte an. Sogar noch, als sie den Ausgang gefunden und hinaus ins Freie geschlichen war. Und allmählich, zögernd nur, gestand sie sich ein, dass es vielleicht doch die Wirklichkeit sein mochte...
Der Wind seufzte in den Bäumen. Die Blätter wisperten. Es hörte sich an wie unheimlicher Gesang.
Rona atmete keuchend. In ihren Ohren rauschte das Blut, und ihr Herz trommelte wie nach einem Marathonlauf.
Sie war aus der verlassenen Polizeistation und aus der Stadt gerannt, ohne zu wissen, was sie tat.
Erst mitten im Wald kam sie wieder zu sich, und ihr schauderte, als sie im Licht des abnehmenden Mondes begriff, was sie schon die ganze Zeit mit sich herumschleppte: eine abgebrochene Indianerlanze. Ein Jagdinstrument vermutlich...
Jagd?
Rona griff sich mit der freien Hand an die Kehle. Sie widerstand dem Wunsch, die Waffe von sich zu schleudern.
Aus ihrem Mund lösten sich Kältefahnen.
Allmählich schwand das Gefühl der Unwirklichkeit. Als sie sich in den Arm kniff, schmerzte es.
Aber auch Schmerz kann man träumen...
wisperte eine leise Stimme tief in ihr drin.
Im Unterholz um sie herum knackte es. Der Gesang der Bäume wurde lauter.
Plötzlich hörte sie unmittelbar über sich Flügelschlag, und aus einer Lücke zwischen zwei Baumkronen stürzte etwas mit heiserem Schrei auf sie
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