BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
herab.
Ein... Adler!
Instinktiv wollte Rona die Lanze hochreißen – doch die Klinge verwandelte sich im selben Augenblick. Wurde rotglühend. Und fing Feuer!
Rona ließ sie fallen.
Sie kam gar nicht dazu, darüber nachzudenken, ob sie sich verbrannt hatte. Sie konnte gerade noch die Arme heben und den Kopf einziehen, als die scharfen Klauen des Vogel bereits nach ihr griffen, ihre Haut zerkratzten und ihr Gesicht nur knapp verfehlten.
Die Flügel des Adlers waren von erschreckender Spannweite und die Heftigkeit ihrer Schläge enorm, zumal Rona völlig entkräftet war. Schreiend und um sich schlagend versuchte sie sich des Angriffs zu erwehren, den Vogel zu vertreiben.
Doch er ließ sich nicht bluffen. Als
wüsste
er um ihre Schwäche.
Als er kurz von ihr abließ und sich in die Höhe schraubte, tat er dies nicht, weil Ronas Bemühungen gefruchtet hatten, sondern nur, um erneuten Anlauf zu nehmen.
Noch wuchtiger, noch gnadenloser fuhr er auf sie herab! Alles schreien, alles sich wehren half nichts. Die mächtigen Schwingen prügelten so unbarmherzig auf sie ein, dass Rona das knöcherne Gerippe des Vogels zu spüren glaubte – nicht nur sein Gefieder.
Sie sank auf die Knie.
Dann fiel sie nach vorn. Mit dem Gesicht auf den winterharten Boden. Sie hatte das Gefühl, ihre Nase würde brechen.
Sie verstummte und hörte auf, gegen den Terror des Vogels anzukämpfen.
Es war verrückt, so zu enden, nachdem sie gerade erst der tagelangen Gefangenschaft entronnen war.
Einfach verrückt...
Zur gleichen Zeit, auf dem Weg nach Bangor
Sie konnte nicht aufhören, an den Traum zu denken, der keiner gewesen war. An die junge Frau und den Widderköpfigen, der sie mit den Augen eines... Kindes angesehen hatte.
Ein Blick wie dunkles Eis war auf den Grund von Heavens Seele vorgestoßen.
Und am schlimmsten war die Ahnung, nein, das
Wissen
, dass der, der sie angestarrt hatte, etwas wie eine Seele nicht besaß...
»Schneller«, murmelte sie. »Geht es nicht etwas... schneller?«
Die Frau, die sie an der Tankstelle des Motels mitgenommen hatte, trat fester auf das Gaspedal ihres Wagens. Aber sie sagte kein Wort, war nur auf die Straße konzentriert.
Die dunkle Straße, über die die Scheinwerferbahnen wie Lichtzungen leckten.
Und Heaven dachte an Raphael Baldacci, dem sie in Salem's Lot gewünscht hatte, er möge ihr nie wieder über den Weg laufen.
Weil sie ihn sonst wahrscheinlich töten würde.
Auch wenn er kein Vampir war.
Wie schon viele Male, seit sie Salem's Lot hinter sich gelassen hatte, versuchte sie die dortigen Geschehnisse zu vergessen, oder – weil dies nicht ging – wenigstens so in ihrem Gedächtnis zu 'parken', dass sie endlich wieder optimistisch nach vorn schauen konnte.
Nicht unbedingt ins Künftige. Der bewusste Kontakt zum
Jetzt
hätte ihr schon genügt.
Müde lehnte sie sich in den Polstern zurück und schloss die Augen. Sie sehnte sich nach Schlaf.
Aber sie fürchtete die damit verbundenen Träume.
Den Blick des Widders...
... der sie am ehesten im Schlaf aufspüren und verfolgen konnte...
Rona blickte in die basaltgrauen Augen eines Fremden.
Aber es war nicht leicht, sich darauf einzulassen, noch zu leben.
Nicht
gestorben zu sein im dunklen Wald unter den Attacken eines Adlers.
»Wie –?«, setzte sie an.
Sein Finger brachte sie zum Schweigen. Der Finger, der sich auf ihre Lippen legte, behutsam, als berührte er einen Schmetterling.
»Ruhig. Trinken Sie. Sie müssen sehr viel trinken. Ich habe Ihnen schon während Ihrer Besinnungslosigkeit Wasser eingeflößt. Was passiert ist, können Sie mir immer noch erzählen. Wir brauchen nichts zu überstürzen. Sie sind in Sicherheit. Ich habe Ihre Wunden versorgt...«
Der Fremde sprach Englisch mit einem speziellen Dialekt.
Und er war ebenso eindeutig ein Indianer, wie der Unterschlupf, in dem Rona lag, ein Zelt war.
Ein Tipi aus speckiger Büffelhaut...
Gegen den Rat des Mannes hob sie erneut die Stimme. »Wo – bin ich?«
Sie hatte nicht gewusst, dass es noch Arapaho-Nachfahren gab, die in Zelten hausten. New Jericho hatte für sie den neuzeitlichen Ersatz für das Dorf dargestellt, das sie damals mit Sardon besucht hatte.
Nun kamen ihr Zweifel. Noch kritischer als zuvor musterte sie den Fremden.
Dass er groß und von athletischem Wuchs war, sah sie selbst in der Haltung, mit der er neben ihr am Kopfende des Schlaflagers saß. Seine Kleidung war traditionell wie die Behausung, in der sich Rona
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