BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
waren sie wenig später verschwunden gewesen – das Bild wie auch Jennifer. Doch der Widderköpfige hatte Heaven verfolgt.
In ihren Träumen.
Und er hatte sie darin an ferne, fremde Orte entführt und ihr all das angetan, was er auch jetzt wieder getan hatte. Er hatte sie verführt, sie hatten sich geliebt – und Heaven hatte sich stets angezogen und angewidert zugleich gefühlt. Ein Gefühl, das so verwirrend gewesen war, dass sie kaum noch gewagt hatte einzuschlafen.
Und jetzt war er wieder da! Ein Traum...
Aufwachen!
schrie Heaven sich in Gedanken zu.
Du musst aufwachen!
Und sie tat es.
Sie schlug die Augen auf und fand sich auf dem Shotgun-Sitz des Trucks wieder, den Kopf seitlich angelehnt, und Kitty Brody saß neben ihr am Steuer und lenkte den Kenworth über den nächtlichen Highway.
Doch etwas, ein winziger Teil ihres Denkens, blieb noch für eine nicht messbare Zeitspanne "drüben". Und als Heaven es endlich schaffte, auch diesen letzten Rest aus dem Gespinst des Traumes zu befreien, war etwas darin. Etwas, das sie nicht sehen, wohl aber wahrnehmen konnte. Etwas, dem sie sich nicht entziehen konnte.
Ein – Blick...
Ein Blick aus kalten Augen, denen etwas Animalisches innewohnte... und die doch zugleich von der Unschuld eines Kindes waren...
Und deren Befehl sie den Gehorsam nicht verweigern konnte.
"Halt an!" Heaven berührte Kitty an der Schulter.
"Was...?" Der Rest des Satzes erstarb der Truckerin noch auf der Zunge, denn da hatte sie schon den Kopf gewandt. Heavens Blick traf den ihren, nahm ihn gefangen.
"Du änderst die Fahrtrichtung", befahl Heaven. Etwas in ihr wollte sich dagegen aufbäumen. Sie hasste es, anderen Menschen ihren Willen aufzuzwingen. Doch ein anderes Etwas in der Halbvampirin war ungleich mächtiger.
"Ich ändere die Fahrtrichtung", wiederholte Kitty Brody tonlos.
"Nach Osten", präzisierte Heaven. "Nach...", sie hielt einen Moment inne, als müsste sie einer Stimme lauschen, die nur sie hören konnte. Dann erst fuhr sie fort: "Nach Nova Scotia."
Clarence Mirvish griff nach dem Glas und stürzte den bernsteinfarbenen Inhalt in seine Kehle wie ein Verdurstender. Obwohl es bereits sein fünftes Glas war, vielleicht auch schon das sechste...
Leer ließ er es zum Ende des blankpolierten Tresens schlittern, wo eine kräftige Hand das Glas vor dem Absturz bewahrte.
"Noch mal dasselbe?" fragte Shaun McLaughlin.
Mirvish nickte. Der beinahe quadratisch gebaute Wirt schenkte nach und stellte ihm den Whisky hin.
"Was ist denn mit dir heute los?" fragte er.
"Was soll sein?" knurrte Mirvish.
"Ich kenne dich ja als guten Kunden", grinste McLaughlin und wies auf das Glas in Mirvishs knorriger Faust. "Aber normalerweise lässt du dir ein bisschen mehr Zeit, um meine Bestände zu vernichten."
Clarence Mirvish starrte stur an ihm vorbei, zum Fenster und hinaus, wo es nichts anderes zu sehen gab als blauschwarze Nacht und dahinter, wenn man genau hinsah, gemaserte Dunkelheit, zu der der Berghang geworden war.
"Was gibt's da zu sehen?" fragte der Wirt.
"Verdammte Gespenster", grunzte Mirvish.
"Jetzt, wo du es sagst, seh' ich sie auch." McLaughlin grinste. Aber das Grinsen gefror ihm auf den Lippen, als er Mirvishs Blick sich auf ihn richtete. Es lag etwas darin, was er bei Clarence Mirvish noch nie gesehen hatte. Hinter dem leicht glasigen Schimmer, den der Whisky über die eisgrauen Augen gelegt hatte, glänzte noch etwas anderes. Etwas Flackerndes – Angst...?
"Meine Güte, was ist los mit dir, Clarence?" flüsterte McLaughlin.
"Hab' ich doch gesagt", erwiderte Mirvish. "Hab' verfluchte Gespenster gesehen."
"Wovon redest du?"
"Kilchrenan Castle."
"Der verlassene Kasten da oben?" Der Wirt wies mit dem Stummeldaumen über die Schulter zum Fenster, wo jenseits der Finsternis hoch über Meat Cove das Bauwerk lag, das Mirvish gerade erwähnt hatte.
"Verlassen", sagte Mirvish, und fast sah es aus, als wollte er ausspucken. "Das war einmal. Jetzt spukt's dort."
"Unsinn."
"Ich hab's gesehen", behauptete Clarence Mirvish. "Oder weißt du davon, dass dort jemand eingezogen ist?"
McLaughlin schüttelte den runden Kopf. "
Nope
. Wer würde da schon freiwillig hinziehen? Müsste erst mal gründlich renoviert werden, der verfallene Kasten, und das kann sich doch kein Aas leisten."
Mirvish nippte von seinem Whisky.
"Eben", sagte er. "Also kann da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Irgendwer hat sich dort eingenistet."
Er fröstelte, als er daran dachte, wie er
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